Deshalb versuche sie mit ihrem Buch, die mit der menschenverachtenden rassistischen Ideologie gekoppelten ökonomischen Interessen zu zeigen. Letztere seien „in der Regel die bestimmenden und stärkeren“. Angesichts der Ungeheuerlichkeit der Verbrechen sei es nötig, darauf hinzuweisen, „wo die Gefahren in einer Gesellschaft weiterhin sind, wenn ökonomische und rassistische Interessen ineinandergreifen.“
Größter Partner der SS sei bekanntermaßen die in der IG Farben zusammengeschlossene deutsche Chemieindustrie gewesen. Die habe bei Auschwitz in ein „gigantisches Kunststoffwerk“ für die Nachkriegszeit investieren wollen. Das Projekt sei genehmigt worden, weil zugleich kriegswichtige Produkte produziert wurden. Für diese Produktion habe die KZ-Leitung im Februar 1941 10.000 Häftlinge als Arbeitskräfte zugesagt.
„Die Zusage an einen der wichtigsten deutschen Konzerne, unterstützt vom Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, bedeutete, dass das KZ einen Grund hatte, zu expandieren, also immer mehr Häftling aufzunehmen. Das war schlicht ein Handel mit dem IG Farben-Konzern: Der Konzern stellte der SS für den Ausbau des später als Stammlager bekannten KZ-Teil das Baumaterial zur Verfügung bzw. trat Kontingente für dieses Material ab, kürzte geringfügig das eigene Bauprogramm für Werkswohnungen und dafür wurden Zehntausende Plätze mehr im KZ geschaffen.“
Viele deutsche Unternehmen seien Partner der SS gewesen, vermittelt über das Rüstungsministerium unter Albert Speer ab Februar 1942, hob die Historikerin hervor. „Wahrscheinlich wäre es leichter, große Konzerne zu benennen, die keine Produktionsstätten im oberschlesischen Industrierevier oder in der Umgebung des KZ Auschwitz hatten.“ Auch staatliche Betriebe wie Stromproduzenten seien beteiligt gewesen. „Dafür wurde die Häftlingszahl erhöht und arbeitsfähige Häftlinge nach Auschwitz deportiert.“
Die Berliner Historikerin stützt sich unter anderem auf bisher unbekannte Dokumente in Moskauer Archiven, wo Akten der Zentralbauleitung Auschwitz liegen. Diese seien wahrscheinlich bis heute von niemandem vollständig gelesen worden.
Ein ausführlicher Beitrag zum Gespräch mit Susanne Willems folgt am Sonntag.