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Die Militarisierung der Strafverfolgung in den USA

swaine1988
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Autor: Dr. Hartmut Grebe
Quelle: https://www.compact-online.de/...
2017-03-26, Ansichten 837
Die Militarisierung der Strafverfolgung in den USA

Die Militarisierung der Strafverfolgung in den USA

In den USA häufen sich die Fälle, in denen die Strafverfolgung den Charakter von militärischen Kampfeinsätzen annimmt. Sie werden von SWAT-Teams (Special Weapons And Tactics) ausgeführt und gleichen wilden Kampfszenen, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen. Aus Fiktion wird Realität, die von den Helmkameras der Krieger aufgezeichnet wird.

Ein Humvee (gepanzerter, geländegängiger Kampfwagen) nähert sich im Dunkel der Nacht. Auf den Trittbrettern stehen entschlossene Krieger, die wie hochgerüstete Einzelkämpfer aussehen. Typischerweise überfallen sie ein Wohnhaus, durchbrechen die Haustür mit einem Rammbock und stürzen mit furchterregendem Gebrüll hinein, automatische Waffen im Anschlag, werfen Blendgranaten und zwingen die Bewohner zu Boden.

Sie sind ausgerüstet mit Maschinenpistolen, scheinwerfer-bestückten Sturmgewehren, dazu noch Handwaffen und Blendgranaten. Sie tragen schußsichere Kleidung und Keflar-Helme. Einige tragen Schutzschilde.

Die Gruppe verfügt außerdem über eine schwere Schrotflinte, die Türen aufbrechen kann, dazu einen schweren Rammbock und Schlaghämmer. Sie verschaffen sich schnellen Zutritt, vorzugsweise durch Zerstörung der Haustür.

Sie stürzen ins Haus und schreien alle laut „Sheriff’s Department, search warrant!“ (Sheriff-Amt, Durchsuchungsbefehl). Sie schreien durcheinander, während sie blitzschnell das Haus durchsuchen.

Die Bewohner stehen vor der Situation, dass sie schnell entscheiden müssen, ob es sich bei diesem Einbruch um die Polizei oder Einbrecher oder Konkurrenten oder Rachsüchtige handelt. In der Schusswaffenkultur der USA ist es nichts Ungewöhnliches, dass man eine oder mehrere Waffen besitzt und sich erst einmal selbst verteidigt. Die Hausbewohner stehen also vor der lebensentscheidenden Frage: Sind die Einbrecher Polizeibeamte oder jemand aus einer anderen Gruppe?

Die Bewohner müssen in wenigen Sekunden eine Entscheidung treffen, von der ihr Leben abhängt. Wenn es die Polizei ist, müssen sie sich schnell, mit der Vorderseite nach unten und ausgestreckten Armen, auf den Boden werfen, um eindeutig zu zeigen, dass sie keine Waffe zur Hand haben. Die Polizisten müssen die entsprechende Einschätzung treffen: „Sind die Bewohner bewaffnet, ja oder nein.“ Im ersten Fall schießen sie aus allen Rohren, wenn jemand eine Waffe hebt. Wenn nein, durchsuchen sie das Haus und gehen dabei mehr oder weniger ruppig mit den Bewohnern um.

Wenn die ihre Unterwerfungsgeste nicht schnell genug zeigen, werden sie zum Teil übel zugerichtet. Es gibt Rippenbrüche, Brandwunden durch Blendgranaten, Schwangerschaftsabbrüche durch Schock oder unsanfte Behandlung. Manche Leute sind verletzt, müssen versorgt und ins Krankenhaus gebracht werden. Solche Überfälle werden euphemistisch auch „Dynamic Entry“ genannt.

Der Richter entscheidet danach, ob die Polizisten „Search Warrant!“ gerufen haben. In dem Chaos des Überfalls ist es fast unmöglich, diese Frage eindeutig zu beantworten. Es ist praktisch ein russisches Roulette. Wie wird diese Frage später entschieden: Vom Richter oder Staatsanwalt (wenn er den Fall annimmt). So kann der Ausgang des rabiaten polizeilichen Zugriffs auch davon abhängig werden, wer den besseren Rechtsanwalt hat.

Oft wird aber schon auf der Sheriff-Ebene entschieden, ob man eine Sache als „Unregelmäßigkeit“ abheftet oder einen anderen Ausweg einschlägt. An der Stelle sind die Polizisten im Vorteil, weil sie besser darstellen können, dass es ein Unfall gewesen sei. Das Finstere daran ist, dass dann, wenn der Schütze unter den Bewohnern im Prozess nicht freigesprochen wird, er wegen Mordes verurteilt werden könnte. In dem Fall könnte er sogar „Life“ bekommen, das heißt Todesstrafe oder lebenslänglich.

Es ist klar, dass im Normalfall keiner der Beteiligten an einem Todesurteil interessiert ist. Trotzdem kann so eine Episode für die Beteiligten übel ausgehen.

Normalerweise liegt ein Anfangsverdacht vor, wenn von einem Richter (auf Vorschlag eines Staatsanwaltes, Sheriffs etc.) ein sogenannter „No-Knock Search Warrant“ ausgestellt wird, d.h. ein Durchsuchungsbefehl, der ohne anzuklopfen durchgeführt werden darf oder soll. Die Rechtfertigung dafür kann aber sehr fraglich sein.

So kann ein einsitzender Sträfling eine beschuldigende Aussage gemacht haben, um sich Vergünstigungen im Knast zu verschaffen. Oder jemand hat etwas Marihuana zum Eigenkonsum im Haus, das jemand gerochen hat. Vielleicht aus einer Pflanze seines Gartens. In vielen Fällen ist eine derartige Durchsuchung skandalös unverhältnismäßig. Oft kommen Polizisten nach einer solchen Durchsuchung mit wenigen Gram der „Illegal Substance“ zurück.

Die Entwicklung nahm ihren Lauf, nachdem Präsident Nixon in den siebziger Jahren den Krieg gegen Drogen (War on Drugs) ausgerufen hatte. Vom harmlosen Marihuana ausgehend, stieg der Verbrauch von immer stärkeren Drogen bedrohlich an, eine Entwicklung, die viele Wurzeln hatte. Der ansteigende Verbrauch hatte eine erhöhte Produktion und Schmugglertätigkeit zur Folge und wurde zur Epidemie. In einer Spirale trieben sich Verbrauch, Produktion und strafrechtliche Verfolgung hoch. Auch der Besitz von wenigen Drogen zum Eigenbedarf zog vieljährige Gefängnisstrafen nach sich.

Die Strafverfolgung wurde intensiviert. Gleichzeitig wurde die Armee modernisiert und stieß veraltetes Gerät an die Polizei ab. Hinzu kam, dass es bei der Polizei Beamte gibt, die die Gelegenheit nutzen, um sich ein prickelndes Kriegserlebnis zu verschaffen.

Der Drogenkrieg hat sich auf beiden Seiten hochgeschraubt. Es gibt tatsächlich Fälle, bei denen Durchsuchungen auf Drogen durch Swat-Teams gerechtfertigt scheinen. Doch die Strafverfolgung im Drogenbereich bewegt sich hart an der Grenze der Verfassungswidrigkeit.

Das fünfte Amendment der Verfassung (Verfassungszusatz) verbietet „unreasonable Searches and Seizures“ also unverhältnismäßige Durchsuchungen und Beschlagnahmungen. Für Ausnahmen schreibt die Verfassung starke Einschränkungen vor. Was unverhältnismäßig ist, ist im Laufe des jahrzehntelangen Drogenkrieges schleichend zurückgedrängt worden.


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