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Anarchy in the UK: Boris Johnson vor dem Fall

swaine1988
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Autor: Wolfgang Eggert
Quelle: https://www.compact-online.de/...
2022-06-08, Ansichten 1136
Anarchy in the UK: Boris Johnson vor dem Fall

Großbritanniens Premier ist durch das Misstrauensvotum angezählt. Was steckt wirklich dahinter – und was bzw. wer kommt nach Brexit-Boris? Als eine mögliche Nachfolgerin wird Außenministerin Liz Truss gehandelt. Wir porträtieren die Russland-Hardlinerin in der Juni-Ausgabe von COMPACT, die Sie hier bestellen können.

Die Punk-Platte schlechthin – Never Mind the Bollocks („Vergiss die Wi***r“) – erschien 1977 zum 25. Thronjubiläum der britischen Königin. Mit Songs wie dem ironischen „God save the Queen“ oder „Anarchy in the UK“. Jeder hielt die Interpreten – die Sex Pistols – für Linke. Und das waren sie wohl auch. Damals jedenfalls.

Heute, wo einmal mehr ein Jubiläum für die Queen ansteht, ließ Sänger John Lydon aka Jonny Rotten vernehmen, Aufstand gegen „oben“ beziehungsweise „das System“ gebe es nur mehr vonseiten der Rechten. Die Verschiebung ist dem Mann allerdings Wurst. Er bleibt nur sich selbst treu. Im Übrigen auch seiner Frisur – die aussieht, als habe er seine frisch gewaschenen Haare gerade auf einem Fischerboot inmitten der Nordsee geföhnt.

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Das legendäre Album der Sex Pistols von 1977. Foto: CC0, Wikimedia Commons

Londoner Party-Gesellschaft

Nicht nur darin ähnelt Lydon dem anarchischen Premierminister seines Landes. Am 6. Juni musste sich Boris Johnson einem parteiinternen Misstrauensvotum stellen. „Partygate“ soll der Auslöser gewesen sein: Über ein Dutzend Festivitäten, von Johnson lange Zeit als „Arbeitstreffen“ verkauft, fanden in Downing Street No. 10 statt – während die politische Elite den Rest des Landes wegen Corona ins klösterliche Homeoffice geschickt hatte.

Aus der Hüfte geschossene Fotos machten die Runde. Zu sehen waren mit Konfetti und Luftschlangen ausstaffierte Bürotische; darauf stehend: Hochprozentiger; im Hintergrund der beschwipste Premier beim Versuch, sich die Krawatte zu binden.

Man darf sich hier nicht täuschen lassen. Dieser Vorgang, genauer diese Vorgänge, taugen auf der Insel keineswegs dazu, einen Keil zwischen Volk und Führung zu treiben. Ganz im Gegenteil. Jeder Engländer erkennt sich da wieder: Männer wie – dies eine europäische Besonderheit – im Übrigen auch Frauen schlagen hier über die Stränge, wann immer man es ihnen erlaubt.

Ist es verboten, dann umso besser: Von daher können die heimlich eingefangenen und dann veröffentlichten Bilder des britischen Gesundheitsministers Matt Hancock, der – verheiratet und täglich neue Abstandsregeln verkündend – seiner Sekretärin im Büroflur per Zungenkuss auf den Zahn fühlte, im Land des warmen Biers nichts als Bewunderung und Neid evoziert haben.

Trotzdem wurde der über allem schwebende Premier von Spaßbremsen vors moralische Schafott seiner Partei geführt, um dort „ermangels Moral und Glaubwürdigkeit“ (als ob sogenannte demokratische Politiker auch nur eine der beiden Eigenschaften jemals besessen hätten) geschasst, in die Wüste geschickt zu werden.

Späte Rache

Es erfordert nicht viel Grips, um darauf zu stoßen, wer die Antreiber des Theaters waren und worum es tatsächlich ging: Wirklicher Hintergrund ist – immer noch – der Brexit, der inzwischen merklich am Bestand der Königreichs sägt. Nordirland und Schottland sind drauf und dran, UK zu verlassen – mithilfe der EU, die auch etliche Darsteller der britischen Presstitution auf ihren Payrolls haben dürfte.

Was wiederum erklärt, dass die Journaille über eben dieses Misstrauensvotum lügt, so wie sie es eigentlich immer getan hat. So wie die Argumente zur Notwendigkeit der Abstimmung erlogen waren, so darf man die Analyse des Wahlausgangs gleichfalls als an den Haaren herbeigezogen bezeichnen.

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Queen Elizabeth II.: In diesem Jahr feiert sie ihr 70. Thronjubiläum Foto: Karl Weller | Shutterstock.com

Ja, es ist wahr, dass bei einer fraktionsinternen Befragung, ob man den Vorsitzenden denn nun gut finde, 40 Prozent Nein-Stimmen eine Abfuhr darstellen. Andererseits wäre es falsch, daraus – wie von den Medien geschlagzeilt – zu folgern, dass Johnson in den eigenen Reihen Vertrauen verloren habe.

In Wirklichkeit ist eher das Gegenteil der Fall: Als Brexit-Boris zur Abstimmung als Tory-Chef stand, waren es sogar weniger „konservative“ MPs, die ihm die Stimme gaben – nicht, weil er ihnen zu konservativ gewesen wäre, sondern schlicht, weil er den Wunsch seines Volkes, aus der EU auszusteigen, erfüllen wollte.

Von daher hat Johnson in den Reihen seines von Lobbyisten geschmierten Parteisumpfes (man denkt unwillkürlich an Trump und die US-Republikaner) sogar einige Stimmen gut machen können. Dass er, an der abgehobenen Schicht in Whitehall vorbei, den Tories an den Wahlurnen das beste Wahlergebnis seit Gedenken servierte – geschenkt!

Geopolitische Auswirkungen

Bleibt die Frage: Was wünscht man diesem Mann, diesem Land… und, aus einer deutschen Perspektive, sich selbst?

Darauf gibt es mehrere – durchaus gegensätzliche – Antworten:

1. Für seine kriegsanheizende Position im Ukraine-Konflikt sollte der Mann weg; und zwar so schnell wie möglich, denn er riskiert den Atomkrieg, nach dem unser Kontinent (noch!) schlechter aussehen würde als die Frisur des englischen Premiers heute schon. Sowohl Briten als auch Kontinentaleuropäer können – ja müssen! – so denken, wenn sie noch halbwegs bei Verstand sind.

Beide Seiten sollten nun aber

2. mit Blick auf die EU – geradewegs gegenläufig – Boris die Daumen drücken, dass er möglichst lange weiterwursteln kann. Briten mögen das tun in der Hoffnung, die aus Brüsseler Schraubstockumarmungen befreite Insel werde beim Untergang des Kontinents nicht mit in den Abgrund gerissen bzw. könne sich – bereits vorher – mehr nationale Freiheiten zurückerobern; EU-Europäer, gerade jene in Paris und Berlin, sollten ein weiteres Wegdriften Old Britannias ebenfalls für gut befinden, da eine Rückkehr Londons die Machtverlagerung Richtung Deutschland und Frankreich – und damit die geopolitische Linie – wieder komplizieren würde.

Nun erscheint das Misstrauensvotum geradewegs wie vom Kontinent auferlegt, sodass man sich fragen darf: Gibt es hier (bei „uns“) noch hoffnungslose Romantiker, welche die Briten zurück ins Boot holen wollen? Oder geht’s hier nur noch um eine Abstrafung vor aller Augen, sodass etwaig nachrückende Aussteiger sehen können, was da blühen mag, wenn sie dereinst der Bock auf Brüssel verlässt – und sie bockig werden?!

Gerade in letzterer Fraktion mögen sich etliche Great-Game-Vertreter wiederfinden, die den (nur in größeren Bündnissen bestreitbaren) Kampf um den Globus noch „historisch“ sehen können. Die wissen, welch europafeindliche Rolle Britannia im Ersten und Zweiten Weltkrieg spielte.

Und die aus einem gewissen territorialen Revanchedenken heraus den Lords und Ladies neben mäßigem Essen und deftigen Sonnenbränden nun auch Boris Johnson weiter ans Bein wünschen. Denn: Er, nur er, kann den Brexit so beherzt fortsetzen, dass die aufkommende Föderalisierung in UK (das heißt die Souveränisierung Schottlands und Nordirlands unter europäischer Flagge) erfolgreich zu Ende geführt wird.

Wer folgt auf Brexit-Boris?

In den britischen Medien wird derweil von EU- und/oder NWO-begeisterten Journalisten und sogenannten Experten die Folgewirksamkeit der zurückliegenden Abstimmung diskutiert. Heute ist man sich darin einig, dass Boris „fertig hat“. Kaum jemand gibt ihm mehr als ein politisches Überlebensjahr. Fast alle, Nigel Farage inklusive, gehen widrigenfalls von anstehenden konservativen Wahldebakeln aus. Bleibt die Frage, wen die Tories, um ebendieses Desaster zu verhindern, als Ersatzkandidaten auf den Schild heben wollen.

Deutsche Patrioten, die bereit und in der Lage sind, ihre politischen Träume „englisch“ zu denken – zugegebenermaßen eine hohe Herausforderung – dürfen sich Jacob Rees-Mogg wünschen, börsianisch bereicherter Brexit-Minister im Kabinett Johnson, in Auftritt und Aussehen eine Karikatur des vorgestrigen Englands. Der Effekt wäre ein sofortiges Abdriften der Insel hinaus auf den Atlantik, aus hiesiger Sicht keineswegs die schlechteste aller Lösungen.

Wahrscheinlicher ist jedoch die Inthronisierung eines „Kandidaten der Mitte“, dem das alte Partei-Establishment zutraut, die Lager wieder zu versöhnen; ein Kandidat, der die angelnden Sachsen wieder ihre Netze in Resteuropa auslegen lässt. Gott selbst möge uns davor bewahren!

In der Juni-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema „Grüne im Krieg“ zeigen wir, wie die einstige Friedenspartei sich als Antreiber eines atomaren Schlagabtausches gefällt. Baerbock, Habeck, Hofreiter & Co. führen ihren Kampf an zwei Fronten: nach außen gegen Russland, nach innen gegen das eigene Volk. Hier bestellen – oder beginnen Sie mit dieser Ausgabe gleich ihr Abo.


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