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Terroristen als „Freiheitsbringer“: Litauens „Waldbrüder“

swaine1988
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Autor: Holger Michael
Quelle: https://de.sputniknews.com/pol...
2020-05-28, Ansichten 1170
Terroristen als „Freiheitsbringer“: Litauens „Waldbrüder“

Erst Kollaborateure der deutschen Faschisten, dann im bewaffneten Untergrund gegen die Sowjetmacht: So haben litauische Nationalisten für die Unabhängigkeit gekämpft. Sie waren in der Minderheit und haben zu Mitteln des Terrors gegriffen, um ihre Ziele zu erreichen. Das wird heute selbst von offizieller litauischer Seite eingestanden.

Die deutschen Faschisten verweigerten dem besetzten Litauen 1941 die erhoffte Unabhängigkeit. Das wollten die litauischen Faschisten (Nationalistenpartei) daraufhin durch verstärktes Andienen erreichen. Mit dem Vormarsch der Roten Armee 1943 war auch diese Konzeption hinfällig. 60.000 Litauern, vor allem Faschisten, Kriegsverbrecher, Angehörige der faschistischen Geheimpolizei Sauguma und der berüchtigten Polizeibataillone sowie ein Großteil der antisowjetischen Intelligenz, blieb nur die Flucht mit den Deutschen.

Andere bürgerliche Kräfte, einschließlich der einflusslosen Sozialdemokratie, setzten angesichts der sich abzeichnenden deutschen Niederlage auf die Westmächte. Ihre Konzeption ging in zwei Richtungen: Die Westmächte sollten innerhalb der Anti-Hitler-Koalition die Abspaltung Litauens von der UdSSR erzwingen oder einen permanenten bewaffneten Kampf gegen die Sowjetmacht bis zum Ausbruch eines Dritten Weltkrieges zu führen.

Ende 1943 schufen bekannte bürgerlichen Politiker der Vorkriegszeit das „Oberste Litauische Befreiungskomitee“ (VLIK) mit dem Sozialdemokraten Steponas Kairys an der Spitze. Sein im Februar 1944 verbreitetes Programm basierte auf der – bis heute verbreiteten und falschen – Behauptung von der Unrechtmäßigkeit der litauischen Sowjetmacht („Aggression, Okkupation, Annexion“) und dem staatsrechtlichen Fortbestand des bürgerlichen Litauen. Für die Zukunft wurde eine bürgerlich-demokratische Koalitionsregierung auf Grundlage der modifizierten faschistischen Verfassung von 1938 und den Kampf gegen den Kommunismus versprochen.

Hoffnung auf die West-Mächte

Widerstand gegen die Deutschen wurde hingegen nicht propagiert, sondern dazu aufgefordert, in die erlaubten Sondereinheiten unter einem litauischen faschistischen General einzutreten. Am 15. Mai 1943 brachte es das VLIK sogar fertig, der UdSSR im Falle der Befreiung Litauens von den Deutschen mit Krieg zu drohen. Damit standen sie in einer Reihe mit den Nazis. Am 30. September 1943, als Litauen zum größten Teil befreit worden war, wandte sich das VLIK an die Briten und US-Amerikaner mit der Bitte um Hilfe gegen die UdSSR. Als diese nicht reagierten, setzte sich der VLIK-Führung später nach Westdeutschland und 1955 in die USA ab.

Im Herbst 1944 begann auf Anweisung der VLIK der antisowjetische bewaffnete Untergrund mit seinen Aktionen. Die Waffen dafür erhielten sie aus Depots, die von den Deutschen im Sommer für sie angelegt worden waren. Heute wird von 100.000 Litauern gesprochen, die bis 1952 bei den antisowjetischen „Waldbrüdern“ kämpften.

Diese Zahlen sind zu hoch angesetzt. Selbst die als ständig kämpfende „Waldbrüder“-Truppe angegebene Kämpferzahl von bis zu 50.000 scheint angesichts der relativ geringen gegen sie eingesetzten sowjetlitauischen Kräfte übertrieben zu sein. Bei den Untergrundkämpfern handelte es sich zumeist um Leute, die den Absprung nach Westen nicht geschafft hatten, nicht dorthin wollten oder von der Illusion eines gerechten Kampfes für die Unabhängigkeit erfüllt waren. Sie bedeuteten – im Gegensatz zu heutigen Behauptungen – zu keiner Zeit eine existenzielle Gefahr für Sowjetlitauen.

Ohne reale Chance

Mit ihrem Kampfwert konnten sie mit den sowjetlitauischen Schutz- und Sicherheitsorganen und der 16. Litauischen Klaipeda-Division der Sowjetarmee nie mithalten. 150.000 Litauer hatten auf sowjetischer Seite am Krieg teilgenommen. 60.000 von denen hatten Tapferkeitsauszeichnungen erhalten. 19 waren als „Helden der Sowjetunion“ ausgezeichnet worden.

Die „Waldbrüder“, einschließlich ihrer Vorkriegsoffiziere, verfügten im Gegensatz zu den lettischen und estnischen Faschisten über keinerlei Kampferfahrungen, sondern bestenfalls nur über terroristische Praxis gegen Unbewaffnete. Dabei blieben sie auch und terrorisierten vor allem unbewaffnete Sowjetanhänger, Aktivisten der Linken, arme Bauern und in Ausnahmefällen und nur mit sicherer Übermacht kleinere sowjetische Einheiten. Für Angriffe auf Städte besaßen sie keine Kraft.

Dennoch waren die Untergrundkämpfer eine erhebliche Belastung für den Wiederaufbau des zerstörten Landes. Die Sowjetmacht bot ihnen 1945 zwei Amnestien an, die sie aber in Verkennung der Lage ablehnten. Nun leitete die Staatsmacht Gegenmaßnahmen ein. Im September wurde das Parteiaktiv bewaffnet und einen Monat später die „Volksverteidiger“ aus freiwilligen Arbeitern und Bauern geschaffen. Ihre 300 Abteilungen wuchsen auf 10.000 Mann an und dienten vorerst nur dem Selbstschutz.

Partisanen gegen „Waldbrüder“

Angriffe auf sie erwiesen sich für die „Waldbrüder“ mit der Zeit als besonders verlustreich. Darüber hinaus gab es auf dem Lande 800 bewaffnete linke Gruppen, die die Separatisten angriffen. Den reaktionären Untergrund zu bekämpfen war weniger Sache der Sowjetarmee als der Einheiten des Innenministeriums (NKWD). In den besonders intensiven Kämpfen von 1944/45 waren bis 20.000 Soldaten von ihnen eingesetzt. Später waren es nur bis 4.000.

Ab 1946 – so die heutige offizielle Einschätzung – konnte der bewaffnete Widerstandskampf in Litauen nichts mehr gewinnen, dauerte aber dennoch an. Nun griff das NKWD zu anderen Methoden. Als besonders gefährlich für die „Waldbrüder“ erwiesen sich die Spezialeinheiten der sowjetischen Staatssicherheit.

Das litauische NKWD wurde zum Kampf gegen den reaktionären Untergrund durch viele der ehemaligen 10.000 litauischen Partisanen verstärkt. Sie kannten sich in den heimischen Wäldern bestens aus und machten in kleinen Spezialeinheiten die versteckten Standorte des Untergrundes ausfindig. Sie störten ihre Kommunikation, unterbrachen ihren Nachschub, vernichteten durch Scharfschützen Untergrundkommandeure und sprengten ihre bescheidenen Munitionslager. Sie riefen Panik und Unsicherheit unter den „Waldbrüdern“ hervor, dezimierten oder liquidierten sie.

Wechsel zum Terror

So wurden vom Januar bis Oktober 1946 336 Untergrundabteilungen in den Wäldern aufgespürt und liquidiert sowie 436 andere antisowjetische Gruppen aufgerieben. Dabei kamen 10.000 Untergrundkämpfer ums Leben bzw. wurden verhaftet. Seitens der Linken fielen 2.360 Kämpfende. Junge litauische Tschekisten spürten „Waldbrüder“-Kommandeure in ihren Verstecken auf, darunter die höchsten wie 1946 Jonas Noraika und 1953 Jonas Žemaitis.

Da die „Waldbrüder“ politisch und militärisch nicht weiterkamen, griffen sie immer mehr zum individuellen Terror. Das kann heute von litauischer Seite nicht völlig abgestritten werden, wie ein offizielle Erklärung zeigt:

„Die Gewehre der Partisanen waren nicht nur gegen die Männer des KGB, gegen Soldaten und aktive Kommunisten gerichtet. Leider kam es auch zu blutigen Abrechnungen mit persönlichen Feinden, zur Vernichtung ganzer Familien, einschließlich alter Menschen und Kleinkinder, die nie Agenten des Innendienstes gewesen waren oder sein konnten.“

Antisowjetischen Kampf fortgesetzt

Um dem antisowjetischen Widerstand Basis zu nehmen, wurden von 1945 bis 1952 etwa 30.000 seiner Mitglieder samt Familien, insgesamt 108.000 Personen, aus Litauen ausgesiedelt. Darunter waren vor allem Großbauern, katholische Priester, 18.000 Verhaftete und Waldbrüder, die ihre Waffen niedergelegt hatten sowie Mitglieder illegaler Organisationen.

Ein Drittel von ihnen kehrte 1955 durch eine Amnestie nach Litauen zurück. In den Jahren bis 1988 folgten die Restlichen Rest. Offensichtlich war das ein politischer Fehler, denn fast alle von ihnen reihten sich vor und während der Perestroika wieder in den antisowjetischen Kampf ein.

Der „harte Kern“ gab nie auf und hoffte immer noch auf dem Ausbruch des Dritten Weltkrieges. Zu Beginn des Korea-Krieges gab es noch einmal einen „Aufschwung“: Die noch 7.000 „Waldbrüder“ ermordeten 1950 noch 2.200 litauische Kommunisten. Obwohl 1953 noch 200 Untergrundkämpfer fielen, galten die Kämpfe gegen sie 1952 als offiziell beendet. Nach Angaben der litauischen Staatssicherheit fielen 1944 bis 1954 20.138 „Waldbrüder“. 18.003 von ihnen wurden inhaftiert und 38 621 – also über die Hälfte der „Unabhängigkeitskämpfer“ – stellten sich der Sowjetmacht, was heute gern verschwiegen wird.

Die „Waldbrüder“, einschließlich der ins Innere der UdSSR Ausgewiesenen, machten etwa acht Prozent der damaligen Bevölkerung Sowjetlitauens aus. Sie repräsentierten nicht den Willen der Mehrheit des litauischen Volkes. 1952 gilt als das Jahr des Sieges der litauischen Linken.


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