Ende Februar beschuldigte die US-Regierung die russische Regierung, „eine Desinformationskampagne rund um das neuartige Coronavirus“ angezettelt zu haben, wie „US-Regierungsvertreter“ der französischen Nachrichtenagentur AFP erklärten. Die „Stuttgarter Nachrichten“ beispielsweise gründeten ihre Berichterstattung am 23. Februar („US-Regierung wirft Moskau Fake-News-Kampagne vor“) auf diesen Bericht der AFP, die sich wiederum auf die Abteilungsleiterin für die Beobachtung ausländischer Propaganda im US-Außenministerium, Lea Gabrielle berief, die unter anderem ausführte: „Russische Staatssender, dem Kreml nahestehende Websites und gefälschte Nutzerkonten im Internet bildeten zusammen das 'Ökosystem' russischer Desinformation.“
Frau Gabrielle begann ihre Karriere als Marinefliegerin und Agentin des US-Marine-Nachrichtendienstes. Danach arbeitete sie für den Fernsehkanal Fox News, der als konservativ gilt und US-Präsident Donald Trump massiv in seinem Wahlkampf unterstützt hat. Am 5. März wiederholte und verstärkte Lea Gabrielle vor dem US-Kongress die Aussagen, die sie gegenüber AFP von sich gegeben hatte. Sie sprach in einer Anhörung von tausenden gefälschten Benutzerkonten bei den Sozialnetzwerken Facebook, Twitter und Instagram, mit denen Russland versuche, eine Verschwörungstheorie über eine US-amerikanische Urheberschaft für das neuartige Coronavirus zu verbreiten. Beweise konnte Frau Gabrielle keine vorlegen.
Das ähnelt dem Vorgehen im Zusammenhang mit den Beschuldigungen über angebliche russische Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen 2016. Diese Verleumdungen, auf deren Basis Sanktionen gegen Russland erlassen wurden, sind bis heute nicht bewiesen. Auch der sogenannte Mueller-Report konnte solche Beweise nicht erbringen, sondern erhob Indizien und Solitärfakten zu Beweisen für die Behauptung, es habe eine solche Einmischung gegeben. Der einzige echte Beweis für eine solche Einmischung sind bis heute die Enthüllungen über die US-amerikanisch-britische Firma Cambridge Analytica. Sie wurde vom US-Milliardär Robert Mercer gegründet, der zu einem Netzwerk ultrakonservativer Superreicher in den USA gehört, in dem auch die Koch-Brüder aktiv sind.
Bereits einen Tag nach der Kongress-Anhörung von Lea Gabrielle stellten US-amerikanische Medien erneut fest, dass das Außenministerium auch für die neuesten Verleumdungen keine Beweise vorlegen konnte. Die Online-Plattform Vox berichtete am 6. März über einen erfolglosen Versuch der renommierten „Washington Post“, vom US-Außenministerium Einzelheiten und Belege für die Behauptungen zu erhalten, die Frau Gabrielle in der Senats-Anhörung ausgesprochen hatte. Auch die Plattformen Twitter und Facebook hatten noch Tage später keine Antworten auf ihre Bitten um detailliertere Angaben zu Gabriels Äußerungen. Die Plattform Vox wartete zum Zeitpunkt ihres Berichtes ebenfalls auf eine Antwort aus dem US-Außenministerium.
Dafür wunderten sich die Vox-Redakteure, genauso wie die US-Senatoren der Anhörung, dass Lea Gabrielle und das Außenministerium sich standhaft weigerten, Einzelheiten preiszugeben, die ihre antirussischen Beschuldigungen untermauern könnten, obwohl die entsprechenden Daten nicht der Geheimhaltung unterlagen, wie das US-Außenministerium dem verblüfften demokratischen Senator Cory Booker ausdrücklich bestätigte. Booker reagierte einigermaßen konsterniert: „Hilft das nicht, die Aktivitäten in sich selbst zu diskreditieren?“, wie in den Vox-Bericht nachzulesen ist.
Lea Gabrielle interessierten solche Fragen von Volksvertretern nicht. Sie erklärte ihnen, dass sie auch nichtklassifizierte Dokumente wie geheime behandeln wolle, um sie „nicht mit unseren Gegnern teilen“ zu müssen, wie Vox sie zitiert. Auch mit diesen Worten: „Wir haben viele dieser Berichte absichtlich auf nicht klassifizierter Ebene erstellt, damit wir sie mit unseren Partnern und Verbündeten teilen können, was für die Aufdeckung wichtig ist. Aber die Nullen und Einsen, wie wir die Arbeit machen, sind im Hinblick auf Best Practices zur Bekämpfung von Desinformation nicht wichtig", so die ehemalige Geheimdienstagentin.
Diese Verleumdung aus den USA machte bis Mitte März ihren Weg auch durch deutsche und europäische Medien, unbewiesen, nicht hinterfragt. Weil Mediennutzer prinzipiell sich sehr selektiv an Informationen erinnern, blieb bei den meisten hängen, diese Russen wieder...! Ohne dafür Beweise vorgelegt zu haben, wurde die Tatsachenbehauptung ins Unterbewusstsein eingepflanzt, die Russen würden Propaganda betreiben, um den Westen in der Corona-Pandemie zu destabilisieren. Dabei ist dieser Vorwurf selbst eine Verschwörungstheorie, die davon ablenken soll, dass gegen Russland und seine Medien eine Diskreditierungskampagne geführt wird, für die eine professionelle, mit geheimdienstlichen Methoden geführte Desinformationskampagne
Alle Desinformationsabteilungen von Geheimdiensten haben zeitlich gestaffelte Kampagnen in ihrem Repertoire. Und seit die National Security Agency (NSA) 1952 gegründet wurde, existieren engste Kooperationen westlicher Dienste mit diesem Flaggschiff westlicher Propaganda und hybrider Kriegsführung. Einer der engsten Partner der NSA ist der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters). Der Whistleblower Edward Snowden enthüllte beispielsweise, wie die Joint Threat Research Intelligence Group (JTRIG), die dem GCHQ zugeordnet ist, seit Jahren massiv im Internet herumtrollt, soziale Netzwerke mit gefälschten Profilen unterwandert und manipuliert, Nutzer diskreditiert, in Diskussionen Nutzer gegeneinander aufhetzt oder durch besonders hasserfüllte Kommentare der gefälschten Profile Diskussionen kippt. Nicht zu vergessen natürlich das Legen von falschen Fährten, die unter anderem und vor allem Russland diskreditieren sollen.
Das Investigativmagazin „The Intercept“ berichtete schon am 22. Juni 2015 ausführlich, wie die JTRIG-Troll-Fabrik des britischen Geheimdienstes GCHQ dabei weltweit vorgeht. Das Magazin veröffentlichte dazu unter anderem ein als „Streng Geheim“ eingestuftes 42-Seiten umfassendes Dokument der JTRIG aus dem Jahr 2011, mit dem Titel „Behavioural Science Support for JTRIG‘S Effects and Online HUMINT Operations“ (Deutsch: Verhaltenswissenschaftliche Hilfestellung für JTRIG‘s Wirkungen und Online Operationen von Agenten), in welchem detailliert Bericht erstattet wird über die Aktivitäten der staatlichen britischen Troll-Fabrik. Intercept schätzte beispielsweise ein:
„Das Dokument beschreibt unter anderem die Taktik, mit der die Agentur die öffentliche Meinung manipuliert, ihre wissenschaftliche und psychologische Untersuchung, wie menschliches Denken und Verhalten beeinflusst werden kann, und die breite Palette von Zielen, die traditionell eher der Strafverfolgung als Geheimdiensten dienen.“
Das Dokument wurde von einem Psychologen verfasst und listet penibel die Methoden bei JTRIG-Operationen im Internet auf. Beispielsweise zitiert der Verfasser auf Seite 7, unter dem Punkt 2.3. aus Befragungen von JTRIG-Mitarbeitern:
„Im Allgemeinen ist die Sprache der JTRIG-Operationen durch Begriffe wie ‚diskreditieren‘, ‚Misstrauen‘, ‚abraten‘, ‚täuschen‘, ‚stören‘, ‚verzögern‘, ‚leugnen‘, ‚verunglimpfen / verschlechtern‘ und ‚abschrecken‘ gekennzeichnet."
In der Verhaltenswissenschaftlichen Hilfestellung der JTRIG für Online-Agenten lässt sich auf Seite 8, im Unterpunkt 2.5. „Operationsmethoden und –techniken“ auch die ganze Palette dessen nachlesen, was so gerne und so häufig Russland und seinen Medien unterstellt wird. Um begreifen zu können, wie intensiv und umfassend Manipulation und Trolling im Internet und in sozialen Netzwerken durch westliche Geheimdienste seit Jahren stattfindet, listen wir das hier einmal in voller Länge auf. Wir werden viele davon noch wiederfinden, wenn wir uns mit den konkreten Beispielen befassen, die von der EU, westlichen Regierungen und Medien präsentiert werden als angebliche Beweise für russische Propaganda.
„2.5 Betriebsmethoden / -techniken.
Alle Operationen von JTRIG werden mit Cyber-Technologie durchgeführt. Die Mitarbeiter beschrieben eine Reihe von Methoden / Techniken, die bisher zur Durchführung von Effektoperationen verwendet wurden. Diese enthielten:
Am 16. März veröffentlichte die „East Stratcom Task Force“ (ESTF), des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) der Europäischen Union (EU) ein Papier, in dem die gleichen unbewiesenen Verleumdungen gegen russische Medien erhoben wurden wie von der US-Regierung also, dass russische Medien gezielt Propaganda und Falschmeldungen über den neuartigen Coronavirus verbreiten würden, um die westlichen Staaten zu destabilisieren. Die ESTF ist ein kleines Team aus bis zu 15 Mitarbeitern, von denen lediglich ihr Chef bekannt ist.
Dass die zivile Task Force der EU den gleichen Kurzbegriff Stratcom gewählt hat, wie etwa militärische Struktureinheiten der Nato, des US-Verteidigungsministeriums oder des britischen Verteidigungsministeriums, ist natürlich reiner Zufall. Denn die Abkürzung steht sowohl für Strategisches Kommando (strategic command) als auch Strategische Kommunikation (strategic communication).
Genauso zufällig ist auch, dass regelmäßig engste Kontakte solcher „Stratcom“-Organisationseinheiten zu Geheimdiensten bestehen. Das auf Nachrichten aus dem Themenbereich „Heimatschutz“ spezialisierte, im New Yorker Vorort Mineola ansässige Portal „Homeland Security News Wire“ berichtete beispielsweise schon am 1. März 2007 darüber, dass die NSA und das U.S. Strategic Command (StratCom) daran arbeiteten, gemeinsame Kapazitäten für aktive weltweite Computer- und Internetsabotage aufzubauen.
Das Papier der EU-Task Force vom 16. März, auf das sich eine Reihe deutscher Medien bezogen, wurde die Blaupause für die zweite Etappe der antirussischen Hetzkampagne der vergangenen Wochen in Europa. Wer sich aufmerksam durch die Beispiele angeblicher russischer Desinformation auf der Seite der Task Force klickt, wird schnell feststellen, dass willkürlich ein paar Sätze aus Artikeln und Beiträgen russischer Medien herausgerissen werden und damit meistens auch aus Sinnzusammenhängen. Vor allem aber wird Kritik an westlicher Politik oder westlicher Medienberichterstattung, das Vorbringen eines anderen als des westlichen Narrativ pauschal als Desinformation abqualifiziert oder aber kolossal aufgeblasen. Leider arbeitet die Seite der EU-Task Force auch entweder stümperhaft und oberflächlich oder mit voller Absicht mit falschen Zuordnungen.
Der eingangs erwähnte Report vom 16. März mit dem Titel „Der Kreml und Desinformation über Coronovirus“ ist dafür ein gutes Beispiel. Die darin aufgeführte Berichterstattung russischer Medien wird pauschal als „kremlfreundlich“ denunziert, egal, ob staatlich, teilstaatlich oder privat, egal, welche Reichweiten die Medien haben. Die in dem Report aufgelisteten Artikel mögen als reißerisch und sensationslüstern kritisiert werden, sind aber auch nicht anders als die Corona-Berichterstattung deutschsprachiger Boulevard-Medien, wie beispielsweise der Bild-Zeitung, die regelmäßig über vermeintlich oder tatsächlich prominente Zeitgenossen berichtet, die eventuell mit dem Coronavirus infiziert worden sein könnten. Aus einer ähnlichen Berichterstattung russischer Boulevardmedien eine gezielte Desinformationsstrategie des Kreml zu konstruieren, ist albern.
Zumal, wenn euvsdisinfo.eu beispielsweise eine auf den ersten Blick absurde Berichterstattung einer privaten russischen Online-Plattform, die von angeblichen Vorhersagen des Coronavirus durch Nostradamus spricht, allen Ernstes als geplante, strategische Desinformationskampagne des Kreml einordnet, mit der dieser die Menschen hierzulande verwirren wolle. Wenn das tatsächlich der Maßstab für Fake News ist, was ist dann bitte ein Artikel in der Bild-Zeitung, vom 23. März, der das Masturbieren als gutes Mittel zur Stärkung des Immunsystems gegen Corona anpreist? Ein lobenswerter Beitrag des Springer-Konzerns zur Volksgesundheit?
Oder warum taucht die Bild-Zeitung beziehungsweise der Springer-Konzern nicht in einer Datenbank auf, die sich der Bekämpfung von Desinformation und Propaganda verschrieben hat, wenn in der Attentatsnacht von Hanau der Reporter von „Bild-Live“, einem TV-Format der Boulevardzeitung mehrfach, ohne jeden Beleg davon faselt:
„Ich habe aus relativ gut unterrichteten Quellen in Hanau hier erfahren — aber ich muss dazu sagen: Das sind nur Spekulationen –, dass es sich hier bei dem Täterumfeld um Russen handeln könnte.“
In dem ESTF-Report vom 16. März wird unter anderem auch behauptet, russische Medien würden die Corona-Pandemie nutzen, um den Eindruck zu erzeugen, staatliche Institutionen im Westen, inklusive der EU würden nicht richtig funktionieren oder versagen.
Bereits ein kurzer Blick in die Archive der wichtigsten westlichen Medien genügt, um zu sehen, dass eben diese Medien in den zurückliegenden Tagen und Wochen dutzendfach über kollabierende Gesundheitsversorgung in Spanien oder Italien oder über angebliche oder tatsächliche drohende kritische Situationen in der Gesundheitsversorgung über Worst Case Szenarien berichtet haben, etwa ob bald entschieden werden muss, bestimmte Erkrankte nicht versorgen zu können oder zu wollen. Wenn also die bloße Benennung und kritische Analyse solcher Zustände, wie sie viele westliche Medien vorgenommen haben und weiterhin vornehmen, als Maßstab für Fake News dienen soll, warum tauchen nicht Berichte über Desinformationen durch westliche Medien wie die Bild-Zeitung auf dieser Internetseite mit auf, sondern ausschließlich russische?
In der Datenbank der ESTF findet sich mit Eintrag vom 31. März eine Veröffentlichung der Plattform southfront.org: „CORONAVIRUS HYPE: HOW FAR CAN GOVERNMENTS PUSH PEOPLE BEFORE IT BACKFIRES”. Diese Plattform taucht auch an anderen Stellen der Datenbank auf, als angeblich „Kreml nahes“ Medium. Nimmt man die Daten eines sogenannten IP Tracker Tools wie ip.tracker.org zur Hand, so wie wir das taten, dann findet man interessante Details.
Jede Internetseite hat eine sogenannte IP Adresse, eine Internet-Protokoll-Nummer, mit der jede Webseite identifizierbar ist. Für viele der in der ESTF-Datenbank aufgeführten Seiten wird als Standort der Registrierungsinstitution, als Standort der Seite und des sogenannten Nameserver die Russische Föderation angegeben. Im Fall southfront.org ist der Registrant zwar die Firma REG.RU LLC in Russland, aber der Standort der Seite wird mit Amsterdam in den Niederlanden angegeben, der Standort des Nameserver, dedicated.koddos.com, wiederum ist die USA.
Das klingt merkwürdig und ruft Erinnerungen an die hier schon zitierten Methoden und Techniken der britischen Troll-Fabrik JTRIG wach, wie man mit gefälschten Identitäten im Internet agiert, um – wie hieß das doch gleich – „zu diskreditieren, Misstrauen zu fördern, jemanden von etwas abzuhalten, zu täuschen, abzuschrecken, zu verzögern oder zu stören“.
Zurück zum ESTF-Report vom 16. März. Dort ist auch zu lesen:
„Informationen in einem autoritären Staat oder einer autoritären Organisation haben eine ganz andere Funktion als in einer demokratischen Gesellschaft. In einem demokratischen Diskurs kann und wird eine Erklärung in Frage gestellt. Ein Anspruch wird in Frage gestellt; Kritik und Dissens sind der Kern der Demokratie. In der autoritären Gesellschaft geht es bei jedem Sprechakt um Loyalität. Loyalität gegenüber einem Führer, einer Sache, einer Marke, einer Ideologie, einem Glauben ... Ob die Aussage auf Fakten basiert oder nicht, ist irrelevant. Die Aussage in Frage zu stellen bedeutet, den Führer, die Sache, die Marke herauszufordern.“
Was von dieser Propagandasprache in der Realität zu halten ist, erleben Bundesbürger gerade aktuell, wenn sie es dieser Tage wagen, die alltäglichen offiziellen Verkündigungen über die Corona-Pandemie zu hinterfragen. Im Handumdrehen ist es dann aus mit dem „demokratischen Diskurs“. Da hat man, schneller als man gucken kann, das Etikett des Verschwörungstheoretikers am Revers. Und selbst promovierte Experten mit jahrelanger Berufserfahrung sind dann eben auf einmal Trottel oder Aluhutträger, weil sie eben nicht „Loyalität“ zeigen gegenüber einer offiziellen Expertenmeinung, „einer Ideologie, einem Glauben“.
Und sie stellen fest, dass der Satz „die Aussage in Frage zu stellen bedeutet, den Führer, die Sache, die Marke herauszufordern“, eben nicht nur in der DDR oder der Sowjetunion galt, sondern auch heute wieder gilt, wenn man genauso diffamiert und denunziert wird wie früher, sofern man es wagt, eine abweichende Meinung öffentlich zu machen. Dann spielen selbst wissenschaftliche Fakten keine Rolle mehr. Das sind dann eben keine wissenschaftlichen Fakten mehr, und die Wissenschaftler, die sie vortragen, sind dann eben auch keine Wissenschaftler mehr. Sie werden einfach mit echten Verschwörungstheoretikern in einen Topf geworfen und haben damit das Kainsmal eines Aussätzigen.
Dieses Prinzip findet allerdings nicht nur in der aktuellen Corona-Debatte Anwendung, in der offenbar eine bedingungslose Gefolgschaft unter eine Meinung verlangt wird. Wir kennen das auch von jedem anderen kontroversen Thema, in dem es in Wahrheit nicht um Meinungsstreit, sondern um die Verteidigung der Deutungshoheit der transatlantischen Weltsicht und Dominanz geht.
Ein weiteres Bilderbuchbeispiel westlicher Doppelstandards ist in dieser Hinsicht diese Passage in dem ESTF-Report vom 16. März, in der die Task Force frech behauptet:
„Die kremlfreundlichen Desinformationsstellen versuchen nicht, 'eine Idee zu verkaufen', sondern das Publikum zu verwirren. Während Journalisten seriöser Nachrichtenagenturen Quellen und Daten sorgfältig prüfen und erneut prüfen, verbreiten die Desinformationsstellen 'alternative Fakten'. Der Informationsraum ist mit Lügen besetzt; Ein Nebel von Fälschungen verdunkelt die Fakten. Die 'Hohlräume' besetzen.“
Dass die ESTF unter „Journalisten seriöser Nachrichtenagenturen“ primär westliche Medienvertreter einordnet, müssen wir nicht eigens betonen. Aber wie „sorgfältig“, ohne „Lügen“ oder „Fälschungen“ diese Journalisten tatsächlich arbeiten, wurde an einem Artikel deutlich, der den Startschuss für die dritte Etappe der aktuellen antirussischen Hetzkampagne einläutete, nun in Deutschland.
Am 24. März veröffentlichte die Bild-Zeitung einen Artikel mit der Überschrift „Verfassungsschutz nimmt Russen-Sender ins Visier“. In dem Artikel wird die – presserechtlich bedeutsame – Tatsachenbehauptung aufgestellt, dass der russische Fernsehkanal RT Deutsch vom Bundesamt für Verfassungsschutz wegen seiner Corona-Berichterstattung überwacht werde.
Der Autor des Bild-Artikels twitterte kurz nach der Ankündigung seines Original-Artikels:
„Eben ruft das BfV bei mir an. Man habe mir keine Informationen zu RT Deutsch gegeben, beobachte nichts und prüfe nichts. Ich habe 5 Fragen zu RT Deutsch gestellt, die Antwort begann mit RT Deutsch und benannte dann Einzelheiten. Viel Spaß beim Shitstorm. Ich bleibe dabei.“
Diesen Tweet hat der Autor inzwischen genauso gelöscht, wie der Ursprungsartikel der Bild verschwunden ist. Jetzt lautet die Überschrift „Wegen Corona-Propaganda / Verfassungsschutz prüft Instrumentalisierung der Corona-Krise / FDP-Experte: Russische Staatspropaganda ist nicht Teil der Meinungsfreiheit“ Überdies ist der komplett umformulierte Artikel hinter einer Bezahlschranke versteckt. Nur an der sogenannten URL-Adresse lässt sich noch die Ursprungsstoßrichtung des Hetzartikels erkennen:
Der Bild-Autor erklärte diese Veränderung so: „Wir haben den Artikel überarbeitet & ergänzt, da sich das BfV anders verstanden haben will, als wir es getan haben. Der wortgleiche einleitende Satz bedeutet –im Gegensatz zum BKA– offenbar NICHT, dass sich der zweite Satz auf „RT Deutsch“ bezieht. Ergänzung, Fragen & Antworten:“
+EIL+@BfV_Bund prüft, ob @RT_Deutsch „die Coronakrise instrumentalisiert“.@bka: Sender veröffentlicht Artikel, die die „Haltung der russischen Regierung in propagandistischer Weise verbreiten“.
— Julian Röpcke (@JulianRoepcke) March 24, 2020
Mehr auf @BILD_Politik.https://t.co/6meUJYJPYi
Natürlich hat Sputniknews Deutschland genauso wie die Kollegen von RT Deutsch beim Bundesamt für Verfassungsschutz nachgefragt, wie die Tweets des Bildautors denn nun wirklich zu verstehen sind. Konkret fragten wir:
„1. Beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz nun den Sender „RT Deutsch“ in Bezug auf seine Berichterstattung zur Corona-Krise oder beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz den Sender aus diesem konkreten Grund nicht?“
Aus der umgehend bei uns eingetroffenen Antwort des Bundesamtes ist ersichtlich, dass der Bild-Autor entweder das Bundesamt bewusst falsch interpretiert hat oder des verstehenden Lesens nicht mächtig ist:
„Das BfV sammelt im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages gem. § 3 Abs. 1 BVerfSchG Informationen und wertet diese aus. Durch eine Stellungnahme zum Beobachtungsstatus einer Organisation außerhalb der Verfassungsschutzberichte könnten Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Dies würde die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigen. Nach sorgfältiger Abwägung ergibt sich, dass eine Beantwortung der Frage 1 hinsichtlich einer etwaigen Beobachtung von RT Deutsch durch das BfV nicht erfolgen kann. Daraus kann weder gefolgert werden, dass eine Organisation beobachtet wird, noch, dass sie nicht beobachtet wird.“
Obwohl das eigentlich kaum missverstanden werden kann, genauso wenig wie die Antwort des Verfassungsschutzes an den Bild-Autoren:
Wir haben den Artikel überarbeitet & ergänzt, da sich das BfV anders verstanden haben will, als wir es getan haben.
— Julian Röpcke (@JulianRoepcke) March 25, 2020
Der wortgleiche einleitende Satz bedeutet –im Gegensatz zum BKA– offenbar NICHT, dass sich der zweite Satz auf „RT Deutsch“ bezieht.
Ergänzung, Fragen & Antworten: pic.twitter.com/52nLJH2Iap
Obwohl der Bild-Autor als Lügner und Verleumder entlarvt wurde, der Springer-Verlag den Artikel komplett umformulieren musste und der Autor offenbar genötigt wurde klarzustellen, dass seine ursprüngliche Aussage kurz und bündig falsch war. Obwohl Deutschlands größte Boulevard-Zeitung also zu einem peinlichen Rückzieher gezwungen wurde – ausgerechnet gegenüber den Russen:
Erwartungsgemäß.
— Julian Röpcke (@JulianRoepcke) March 25, 2020
„Sein Autor hatte eine Antwort des BfV falsch ausgelegt und so Fake News produziert.“
Bei aller Empörung hatte „RT Deutsch“ mit der Antwort des BfV – offensichtlich – auch Verständnisprobleme. pic.twitter.com/V9RGdjPcu3
Obwohl also klargestellt ist, dass nichts an der von Bild behaupteten Verkettung: Corona-Berichterstattung RT Deutsch = Beobachtung durch den Verfassungsschutz dran ist, haben andere Medienhäuser diese Fake News unbekümmert nachgeplappert, vom Berliner „Tagesspiegel“ bis zum Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das sich mit Hilfe der Madsack-Gruppe, die der DDVG-Holding gehört, letztlich im Besitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) befindet. Natürlich suchen wir die Bild-Fake News vom 24. März auf der Seite euvsdisinfo.eu vergeblich. Die Kollegen von RT Deutsch haben die Lügengeschichte der Bild-Zeitung hier ausführlich analysiert und dokumentiert.
Das hindert den Bild-Autoren indes nicht daran, die alte Lügengeschichte abermals neu aufzubügeln. In einem Artikel vom 10. April, "Verfassungsschutz wertet Putins Staatssender aus", versucht er die alte Lüge neu zu verpacken.
Diesmal führt er die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des FDP-Abgeordneten Thomas Hacker als den ultimativen "Beweis" für seine aufgeflogene Fake News an, wonach RT Deutsch angeblich vom Verfassungsschutz wegen seiner Corona-Berichterstattung überwacht werde. Doch in dieser Antwort an Hacker steht auch nichts anderes als vorher schon bekannt war und uns auch durch das Bundesamt mitgeteilt wurde, demnach "sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen darüber, inwiefern die COVID-19-Pandemie durch fremde Staaten instrumentalisiert wird, und wertet diese aus. Zur Feststellung derartiger Aktivitäten werden auch russische Staatsmedien ausgewertet."
Hacker hatte aber dezidiert gefragt: "Wird nach Kenntnis der Bundesregierung der russische Sender RT Deutsch von deutschen Sicherheitsbehörden beobachtet?“ Das ist, wie wir nachlesen können, so nicht der Fall. Der Bild-Zeitungs-Autor macht aus der erneut negativen Antwort des Bundesinnenministeriums dennoch triumpfierend: "Damit herrscht nun Klarheit über die Befassung des Verfassungsschutzes mit RT Deutsch und Sputnik Deutschland." So einfach sieht die Welt von Pippi Röpcke aus oder so primitiv, das muss jeder selbst beurteilen.
Abgesehen davon ist der neue Kronzeuge der Bild-Zeitung, Thomas Hacker, genauso "vertrauenswürdig" wie die Zeitung selbst. Es ist bezeichnend, dass die Bild in ihrer Verzweiflung auf Hacker zurückgreifen muss, da sich wohl sonst niemand fand. Hacker wurde 2018 bekannt, weil er fröhlich von seiner Partei FDP in Bayreuth Miete für eine ihm gehörende Immobilie kassierte. Als Schatzmeister, wie es sich gehört, und natürlich überwiesen auf sein Privatkonto. Und selbstverständlich musste Hacker zum Jagen getragen werden, bis er den Vorgang zugab, und natürlich sei das "ein Fehler" gewesen. So einfach machen es sich diejenigen, die ansonsten so wild mit dem Finger auf andere zeigen, wie jetzt Thomas Hacker, der sich von der Bild-Zeitung für ihre antirussische Hetze einspannen ließ.
Dass die Goebbels-Methode "man muss eine Lüge nur solange wiederholen, bis sie geglaubt wird", bei Bild und generell im Axel-Springer-Konzern so hoch im Kurs steht, hatten wir bereits in einem Artikel im Januar 2019 mit der Tatsache erklärt, dass zwei Nazi-Propaganda-Größen, Paul Karl Schmidt - alias Paul Carell - Ex-Pressechef von Joachim Ribbentrop und Horst Mahnke, Ex-SS-Hauptsturmführer im Reichssicherheitshauptamt zu den persönlichen Beratern von Konzerngründer Axel Cäsar Springer gehörten und im Konzern für die Durchsetzung der antikommunistischen Hetze und der Lobpreisung der USA und des westlichen Wertesystems zuständig waren, was bis heute tiefe Spuren hinterlassen hat.
Dass sowohl Schmidt als auch Mahnke als IM des Bundesnachrichtendienstes (BND) ihren Chef verpfiffen haben, überrascht nur bedingt. Der BND war eine Kreation der CIA, die dazu den Nazi-Geheimdienst "Fremde Heere Ost" unter General Reinhard Gehlen übernahm, in München-Pullach stationierte und als Speerspitze gegen die Sowjetunion und deren Satellitenstaaten einsetzte. Der Antikommunismus und der Hass gegen die Sowjetunion einte bekanntlich sowohl die Nazis als auch die westlichen Alliierten.
Dass die CIA auch seine Finger im Spiel hatte bei der Gründung und in der "Arbeit" des Springer-Konzerns, ist inzwischen auch offenbart worden. Am 19. Juni 1982 veröffentlichte der Journalist Murray Waas in der seit 1865 existierenden Zeitschrift "The Nation" (Nr. 234, Seite 738) den Artikel "Covert Change", was sich mit verdeckte Veränderung übersetzen lässt, Geheimdienstoperationen werden auch als "covert operations" bezeichnet. Waas erklärte in dem Artikel, er habe von einem ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter die glaubhafte Versicherung erhalten, dass die CIA Anfang der 50er Jahre Axel Cäsar Springer bei der Installierung seines Flaggschiffes "Bild" mit 7 Millionen US-Dollar unter die Arme gegriffen hat. Springer dementierte natürlich, aber verklagte Waas und "The Nation" nicht, wie sonst üblich.
Springer und CIA vertrauen augenscheinlich darauf, dass der Nation-Artikel in Vergessenheit gerät, und heute beinahe ausschließlich ein Video als Beleg kursiert, das den früheren Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Mitglied der Parlamentarischen Kontrollgremiums, Andreas von Bülow bei einem etwas obskuren "Alpenparlament Kongress" von 2013 zeigt, bei dem er die in "Nation" veröffentlichte Tatsache erwähnt, aber nicht die Zeitschrift selbst. Selbstredend gilt von Bülow als Verschwörungstheoretiker, wegen tatsächlich etwas merkwürdiger Thesen zum 11. September 2001. Aber so lässt sich hervorragend auch seine Aussage zur CIA-Finanzierung der Bild-Zeitung diskreditieren.
Nachvollziehbar erscheint die finanzielle Initiative der CIA in Bezug auf Springer und die Bild vor dem Hintergrund, dass die ersten Ausgaben der Bild finanziell ein Desaster waren und Springer schwamm seinerzeit nicht gerade im Geld. Aber der Desinformations- und Propagandaabteilung des US-Geheimdienstes war die fanatische antikommunistische Weltsicht Springers und der ihn umgebenden Führungsfiguren mit Verbindungen ins Geheimdienstmilieu nicht verborgen geblieben. Seltsamerweise konnte die Bild also alsbald wieder durchstarten, als spiele Geld keine Rolle, obwohl sie zunächst riesige Verluste produzierte. 1952 war das schon ein beträchtlicher finanzieller Kraftakt, den aber damals niemand hinterfragte.
Logisch erscheint die Initiative der CIA auch vor dem Hintergrund, dass der Geheimdienst das sogenannte "Mockingbird"-Programm ins Leben gerufen hatte. Mit diesem Programm wurden jahrzehntelang weltweit Medien infiltriert und auf US-Kurs gebracht, wie Alex Constantine in seinem 1997 veröffentlichten Buch "Virtual Government" belegt. So verschlang das Mockingbird-Programm alleine 1978 etwa 265 Millionen US-Dollar. Das war damals mehr als die Nachrichtenagenturen Reuters, UPI und AP an Budget hatten. 1977 meldete die "New York Times", dass die CIA Eigentümerin von 50 Zeitungen war. Die Annahme, dass die CIA und US-Geheimdienste einfach so die Beeinflussung der öffentlichen Meinung aufgegeben haben, ist naiv, wenn man sich einigermaßen mit Geheimdiensten auskennt.
Logisch erscheint dies vor dem Hintergrund, dass der Springer-Konzern vor kurzem den Gründer der Firma Palantir, Alex Karp, in seinen Aufsichtsrat geholt hat. Karp und Palantir sind ebenfalls mit Geld der CIA erschaffen worden, über den Fonds In-Q-Tel. Der Whistleblower Edward Snowden hat die Arbeitsweise der Palantir für die flächendeckende Internetüberwachung durch die NSA aufgedeckt. Karp selbst macht keinen Hehl aus seiner Nähe zur CIA und dem US-Militär. Und wer die Arbeitsweise von Geheimdiensten kennt, der weiß, dass sie selten eine Quelle, die sich als so hocheffizient erwiesen hat, ohne Not abschalten. Wir erinnern uns an den gerade erst zurückliegenden Skandal der Schweizer Crypto AG, die jahrzehntelang mit ihren manipulierten Chiffriermaschinen die diplomatische Kommmunikation dutzender Staaten mitlas, auch von sogenannten Freunden und Alliierten.
Deshalb lässt sich der Verdacht nicht aus der Welt räumen, dass die CIA nach wie vor in der Bild-Zeitung munter mitmischt. Die antirussische Hetze, die dort betrieben wird, riecht jedenfalls aus allen Poren nach Geheimdienstmethoden.
Die Bild-Zeitung empörte und empört sich bis heute, russische Medien würden fahrlässig berichten, sich die Hände zu waschen, würde nichts bringen. Das Boulevard-Blatt reißt dazu einen Satz des Hygienikers Klaus-Dieter Zastrow aus dem Zusammenhang und verfälscht damit den eigentlichen Sinn der Aussage von Herrn Zastrow in seinen Interviews für RT Deutsch und Sputniknews Deutschland. Was Bild vollkommen vergessen hat. Sie selbst hat eine solche Aussage von Klaus-Dieter Zastrow nach einem Gespräch mit ihm veröffentlicht. Und das Robert-Koch-Institut verweist auf seiner Internetseite auf die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO). Und dort steht schwarz auf weiß:
„Obwohl bereits durch Händewaschung die Rate von Nosokomialen Infektionen herabgesetzt werden kann, ist abhängig vom Ausmaß der Kontamination die Wirksamkeit nicht ausreichend, so dass die Händewaschung keine Alternative für die hygienische Händedesinfektion ist.“
Die Standards der East Stratcom Task Force spielen offenbar bei der Berichterstattung der Bild-Zeitung keine Rolle. Die ist sich auch nicht dafür zu schade, einer ominösen Firma ein Podium zu bieten, die mit einem zweifelhaften Corona-Test verängstigten Menschen das Geld aus der Tasche ziehen will. Sie schürt Zweifel an der Zuverlässigkeit von Expertenaussagen, „Wir hören zu viel auf Virologen!“, so die Bild am 31. März. Dennoch findet sich die Bild-Zeitung nicht auf der Antidesinformationsplattform der EU.
Die Seite euvsdisinfo.eu arbeitet mit zweifelhafter Professionalität. Beispielsweise wird in ihrer Datenbank ein Bericht der lettischen Sputnikredaktion vom 15. März als Desinformation angeführt, auf den sich einige deutsche Medien immer noch empört beziehen. In dem Artikel „Coronavirus in Lettland erfunden? Warum nicht?“ heißt es an einer Stelle: „Aber gibt es in Lettland wirklich nicht genug talentierte Biologen und Apotheker? Alleine Meldonium hat eine Reihe von Athleten aus einem der Nachbarländer und übrigens Maria Scharapowa selbst behindert.“
Meldonium ist ein Herzmedikament lettischen Ursprungs, das der Tennisspielerin Maria Scharapowa 2016 zum Verhängnis wurde. Der ganze Text von Sputnik Latvia aber ist – sofern man der russischen Sprache mächtig ist – eindeutig als Glosse zu erkennen. East Stratcom Task Force machen daraus trotzdem eine vorsätzliche Desinformation des Kreml. Diese Art von „Beweisen“ ist nicht die einzige in der ESTF-Datenbank.
Deren zweifelhafte Beispiele werden dennoch von einigen Journalisten offenbar ohne erkennbare Probleme weiterverbreitet. Wahrscheinlich, weil das Feindbild Russland ein so hervorragender Kit ist. Das wird durch diverse Netzwerke intensiv gepflegt und aktiv durch Kampagnen in internationalen Medien befeuert. Eines dieser Netzwerke wollen wir näher beleuchten, obwohl Sputnik Deutschland darüber schon mehrfach berichtete. Aber da gerade in deutschen Qualitätsmedien eine auffallende Zurückhaltung bezüglich dieses Netzwerkes erkennbar ist – wir wollen nicht mutmaßen, dass es bewusst verschwiegen wird – berichten wir eben noch einmal darüber, der Anlass ist denkbar angemessen.
Dass der Tagesspiegel die Bild-Fake News über russische Medien, die wegen ihrer Corona-Berichterstattung vom Verfassungsschutz beobachtet würden, bereitwillig wiederaufführte, ist kein Zufall, denn die Zeitung ist immer vorneweg, wenn es um antirussische Hetze geht. Das hat unter anderem einen Grund und einen Namen, und der lautet Claudia von Salzen. Die Autorin berichtete schon am 21.12.2015 voller Euphorie in ihrem Blatt über die Gründung der bereits mehrfach erwähnten „East Stratcom Task Force“.
Die wird angeführt von Giles Portman, einem britischen Karrierediplomaten. Portman trat, zusammen mit dem bereits erwähnten Autor der Bild-Fake News, im Jahr 2019 bei der sogenannten Disinformation Week in Brüssel auf. Dieses Treffen wird von der transatlantischen Lobbyorganisation Atlantic Council organisiert und vereint viele professionelle Verschwörungstheoretiker, die in Europa und darüber hinaus den Menschen das Gruselmärchen von der russischen Gefahr und das Märchen vom moralisch überlegenen Westen einzutrichtern versuchen, der sich über andere Staaten und Völker als Moralapostel erheben dürfe.
Interessant an jenem Tagesspiegel-Artikel ist, dass zur gleichen Zeit als Frau von Salzen dort ihre Lobeshymne auf die neue Task-Force der EU schrieb, eine andere Initiative aktiv wurde, der leider erst drei Jahre später der Schleier der Geheimhaltung abgenommen werden konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die Integrity Initiative (II) unbehelligt mit Propaganda, Desinformation und Manipulation enormen Schaden in der europäischen Öffentlichkeit anrichten. Bemerkenswerter Weise und sicherlich rein zufällig ist sie mehr oder weniger zeitgleich mit der East Stratcom Task Force aus der Taufe gehoben worden.
Beide Konstrukte haben antirussische Propaganda zum Ziel, um die Deutungshoheit des Westens wiederzuerlangen. Denn dass es nicht um die Corona-Berichterstattung von RT Deutsch oder Sputniknews Deutschland geht, blitzt immer wieder in den Verlautbarungen der ESTF oder anderer Faktenchecker oder – finder auf nämlich, wenn darüber berichtet wird, wie viele Bürgerinnen und Bürger die Angebote dieser beiden vom russischen Staat finanzierten Medienhäuser statt der sogenannten Qualitätsmedien nutzen. Ein Horror für die selbsternannten Gralshüter der reinen Wahrheit. Und um diesen Horror zu bekämpfen, werden Strukturen geschaffen, die mit geheimdienstlichen Methoden auf ideologische Diversion und Propaganda ausgerichtet sind, auch wenn wortreich anderes behauptet und mit dem Finger in Richtung Moskau gezeigt wird.
Die Integrity Initiative hat eine Stiftung als Trägerin, das britische Institut für Staatskunst – Institute for Statecraft, als gemeinnützige Organisation in Schottland angemeldet. Von drei ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeitern, von denen zwei, Christopher Donnelly und Daniel Lafayeedney das Institut noch heute leiten.
Ende 2018 wurden der Enthüllungsplattform Wikileaks Dokumente dieser Initiative zugespielt, die ähnlich skandalöse Vorgänge offenbaren wie die Fakten, die durch den Whistleblower Edward Snowden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden oder wie die Berichterstattung des „Guardian“, die den Schleier von der Firma Cambridge Analytica riss, die nicht nur die US-Präsidentschaftswahlen 2016 manipulierte, sondern auch das Brexit-Referendum und viele andere Wahlen in dutzenden Staaten, was immer Russland in die Schuhe geschoben wurde und wird, genauso wie die Attacke auf den russischen Doppelagenten Skripal und seine Tochter im britischen Salisbury oder der Abschuss des malaysischen Fluges MH17.
Die Integrity Initiative entpuppte sich durch die Kenntnis der vertraulichen Dokumente als eine weitere westliche Troll-Fabrik mit „Clustern“ in vielen Ländern, geschaffen, um die öffentliche Meinung in diesen Staaten im westlichen Sinne zu beeinflussen und jede abweichende Meinung oder Sichtweise zu diffamieren und zum Schweigen zu bringen, abgesehen natürlich vom Ziel, Russland Propaganda zu unterstellen und russische Politik zu diffamieren, um das generelle Ansehen Russlands in Westeuropa und darüber hinaus zu diskreditieren. So war und ist es auch für die das Cluster Deutschland geplant.
Geführt vom britischen MI6-Geheimdienstoffizier Harold Elletson, wurden die Operationen in Deutschland und ihr Personal vom Mitarbeiter des Institutes für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, Dr. Hannes Adomeit geplant und angeworben. In manchen Fällen blieb es offenbar beim Anwerbungsversuch, aber da hatte ja auch die Stasi so ihre enttäuschenden Erfahrungen mit der Rekrutierung von Inoffiziellen Mitarbeitern oder Gesellschaftlichen Mitarbeitern machen müssen.
Wie auch immer, in den Dokumenten der Integrity Initiative findet sich auch ein Dokument mit dem Titel „The German Cluster Interim Report“ von Hannes Adomeit. In diesem Bericht beklagt er sich zunächst darüber, dass ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung offenbar nicht das Feindbild Russland teilt, das Herrn Adomeit antreibt:
„Die russische Erzählung über die Ursprünge der tiefen Krise in den Beziehungen Russlands zum Westen wird von der deutschen öffentlichen Meinung weitgehend akzeptiert. Seine Hauptthesen sind, dass die Vereinigten Staaten nach dem Ende des Kalten Krieges in ihrem Ansatz einfach 'die Sowjetunion' durch 'Russland' ersetzten; Sie setzten ihre Politik der Eindämmung, Isolation und Demütigung Russlands fort. Ihr Hauptinstrument war die Nato und die Expansion der Nato in Gebiete, die für die russischen Interessen von entscheidender Bedeutung sind. Und sie hatten Druck auf Europa, einschließlich auf Deutschland, ausgeübt, um sie auf die Linie ihrer antirussischen Politik zu ziehen.“
Völlig zu Recht, konstatierte der Journalist Jens Berger in einer Analyse der Dokumente auf den Nachdenkseiten, dass dies keine These oder Erzählung ist, sondern schlicht und ergreifend den Fakten entspricht. Dass viele Menschen in Deutschland das genauso sehen und an dieser Sichtweise trotz intensivster Propaganda auch festhalten, ist für Desinformations- und Propagandaprofis wie Hannes Adomeit und seine Gesinnungsgenossen in der Integrity Initiative natürlich ein Ärgernis ersten Ranges.
In dem Interimsbericht listet Adomeit auch die aus seiner Sicht zum damaligen Zeitpunkt „aktuellen und potenziellen“ Mitglieder der deutschen Gruppe innerhalb der Integrity Initiative auf, wie er sie selbst betitelt. In der Aufzählung fällt auf, dass nur die ersten fünf Namen unterstrichen sind. Man könnte, wenn man wollte – was wir nicht tun - daraus schließen, dass die unterstrichenen Namen möglicherweise zu den damals „aktuellen“ Mitgliedern zählten. Diese Annahme würde vor allem auch dadurch gestützt, weil Adomeit sie auch als zum Teil besonders nahestehende Personen charakterisiert, wie beispielsweise Joachim Krause, Leiter jenes Kieler Institutes, an dem Adomeit als Leitender Gastwissenschaftler arbeitet.
Allerdings muss unbedingt berücksichtigt werden, dass Adomeit einschränkend schreibt:
„Ich bin mir nicht sicher, wie 'Mitgliedschaft' zu verstehen ist. Bisher bin ich auf informeller Grundlage vorgegangen, das heißt ohne schriftlichen Vertrag, aber mit der Verpflichtung, gemäß den oben genannten Grundsätzen zu handeln. Der Grad des Engagements variiert erheblich und hängt natürlich von meinen Bemühungen ab, die betroffenen Personen einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund können die folgenden aktuellen und potenziellen Mitglieder wie folgt identifiziert werden:“
Der erwähnte Joachim Krause ist die Nr. 2 in dieser Liste, nach dem ebenfalls schon erwähnten Cluster-Leiter und MI6-Agenten Harold Elletson. Über Joachim Krause schreibt Adomeit:
„Enger Freund, ehemaliger Kollege der Stiftung Wissenschaft und Politik, ehemaliger Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), derzeit Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK) und geschäftsführender Herausgeber der einzigen Zeitschrift für Strategiestudien in Deutschland; Sirius: Zeitschrift für strategische Analysen. Die Bedeutung dieser Verbindung liegt in der Tatsache, dass ich nicht nur an der Suche nach ernsthaften Beiträgen zu diesem Thema beteiligt bin, sondern selbst Artikel schreibe, auch zugunsten der Initiative. Es ist kein Treffen erforderlich mit ihm, da ich fast täglich in engem Kontakt mit ihm bin.“
Dass die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Beck, die unterstrichene Nummer 3 einnimmt, ist vielleicht für einige nicht überraschend, die ihre bisherigen Wortmeldungen gegen Russland Revue passieren lassen, was sie durchaus zu einer erstklassigen Mitarbeiterin der Integrity Initiative machen würde und man das Interesse von Herrn Adomeit an ihr nachvollziehen kann.
Überraschend ist dann allerdings die Nummer 4, deren Namen wir schon kennen, Claudia von Salzen. Zu ihr schrieb Adomeit unter anderem:
„Überblick darüber, worum es bei der Integritätsinitiative geht und welche Rolle sie dabei spielen könnte. Die Sitzung fand am 21/09/2018 statt.“
Das bedeutet wie erwähnt nicht, dass Frau von Salzen letztlich auch wirklich aktives Mitglied der deutschen Integrity Initiative-Gruppe war oder ist, auch wenn Adomeit an anderer Stelle den Eindruck ihrer aktiven Teilnahme am Geschehen der Initiative erzeugt, als er schreibt, „Claudia von Salzen wird dies untersuchen und herausfinden, was passiert ist und warum.“ Was Frau von Salzen offenbar untersuchen und herausfinden sollte, waren Einzelheiten zum „Fall Andrey Kovalchuk“, der am 2. März 2018 wegen des Verdachts des Drogenschmuggels von 400 Kilogramm Kokain von Argentinien nach Russland in Berlin festgenommen und später nach Russland ausgeliefert worden war. Adomeit hatte sich darüber mit dem Journalisten Boris Reitschuster ausgetauscht, den er bei der Gelegenheit ebenfalls für die Integrity Initiative anwerben wollte, ob erfolgreich, entzieht sich unserer Kenntnis. Adomeit war ungehalten über die Auslieferung von Kovalchuk, weil es sicher möglich gewesen wäre, „viel über russische Korruption herauszufinden, insbesondere zwischen staatlichen Institutionen (MID) und organisierter Kriminalität“ und die Integrity Initiative darauf angemessen hätte reagieren können.
Claudia von Salzen teilte den britischen Sputnik-Kollegen im Rahmen der erstmaligen Berichterstattung kurz und bündig mit, sie hätte die Teilnahme an der Initiative abgelehnt.
No. None.
— Claudia von Salzen (@claudi) January 7, 2019
Joachim Krause drohte dagegen sogar mit rechtlichen Schritten, sollte ihm eine Verbindung zur II zugeschrieben werden. Diese nervösen Reaktionen von Personen, die sich sonst so souverän und unantastbar gebärden, wenn es gegen Russland und russische Medien geht, sind deshalb besonders bemerkenswert, weil die Ziele der Integrity Initiative doch angeblich das Edelste und Beste darstellen, was der Westen zu bieten hat, die golden strahlende propaganda- und fake-news-freie Berichterstattung unvoreingenommener, unparteiischer Medien zu verteidigen. Sich von diesen hehren Zielen, von einer Organisation, die sie zu verteidigen vorgibt, zu distanzieren, sogar mit Klageandrohungen, das ist dann doch schon etwas eigenartig, um es mal zurückhaltend zu formulieren.
Zumal Adomeit in seinem Interimsbericht neben dem Fall Kovalchuk noch ein zweites Beispiel „für eine erfolgreiche Vernetzung“, wie er es beschreibt, benennt und wir bei der Gelegenheit auch den Namen der unterstrichenen Nummer 5 der Liste erfahren, Susanne Spahn, Politologin und Osteuropa-Historikerin. Frau Spahn hat sich ebenfalls bereits einen Namen gemacht mit gediegener Hetze gegen Russland, seine Politik und seine Medien. Unter anderem hatte sie so streng wissenschaftliche Behauptungen aufgestellt, wonach die Abkürzung RT eine Tarnung sei, um die russische Herkunft des Senders zu verschleiern. Auch der Vorwurf, russische Medien wie RT Deutsch oder Sputniknews würden generell „selektive Auswahl von Fakten und Verbreitung von Falschdarstellungen“ vornehmen, hält simpelsten wissenschaftlichen Standards nicht stand, sondern enttarnt sich als simple Meinungsbekundung von Frau Spahn, die sie zur wissenschaftlichen Evidenz erhebt, obwohl sie selbst mit dem Fall Lisa „selektive Auswahl von Fakten“ betreibt.
Ihre Unterstellung, der seinerzeitige Chef von RT Deutsch würde häufig als freier Journalist auftreten, wurde durch Sputniknews widerlegt und Frau Spahn aufgefordert, dies richtig zu stellen und sich beim RT Deutsch Chefredakteur zu entschuldigen. Darauf warten die Betroffenen bis heute. Frau Spahn begibt sich nach wie vor mit ihrer Studie und diesen wahrheitswidrigen Aussagen auf Vortragsreise durch Deutschland. Dass sie auch Expertin für „Untersuchungen zur besseren Berücksichtigung der Besonderheiten der künstlerisch-ästhetischen Aneignung in der allgemeinen Unterrichtstheorie“ der größten DDR der Welt ist, das wissen vermutlich nicht so viele.
1987 veröffentlichte Susanne Spahn die oben genannte „Hochschulschrift“, wie die Dissertation A von Frau Spahn im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek heißt, unter dem Dach der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik in Berlin (APW). Die APW unterstand direkt dem Ministerium für Volksbildung unter der sagenumwobenen First Lady der DDR, Margot Honecker. Aufgabe der APW war es, auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus die Entwicklung des „einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“ in der DDR wissenschaftlich zu untermauern und zu forcieren.
Susanne Spahn muss ihre Sache gut gemacht haben, denn auch in der DDR waren Akademien der Wissenschaften die Spitze der Pyramide der wissenschaftlichen Elite des Landes, zu der nicht jeder Zutritt bekam. Ob man Susanne Spahn einen „Wendehals“ nennen kann, sei dahingestellt und interessiert uns auch nicht. Ganz unzweifelhaft aber hat sie auch im vereinten Deutschland Gönner und Förderer unter den Eliten des Staates. Hannes Adomeit schreibt in seinem Bericht über die erfolgreiche Vernetzung des German Cluster der Integrity Initiative mit Frau Spahn, mit der er sich am 28. September 2018 zu einem Anwerbungsgespräch getroffen hatte, dass sie eine Publikation über den sozioökonomischen Status und die politische Ausrichtung der rund drei Millionen Deutschen mit post-sowjetischem Migrationshintergrund verfasst hatte, allerdings mit einem Problem:
„Sie hat Mittel für das Projekt von der Bundesregierung erhalten, konnte jedoch keine erforderliche Institution finden, die angeblich die Solidität der Forschung überwachen und ihr Gütesiegel anbringen würde. Sie erwähnte das mir gegenüber in dem oben erwähnten Briefing. Ich habe dies mit Joachim Krause vom ISPK besprochen, der zustimmte, dass sein Institut bereit sein würde, die notwendige institutionelle Zugehörigkeit bereitzustellen.“
Wie schon erwähnt, auch diese Aussage von Hannes Adomeit belegt keine aktive Teilnahme von Joachim Krause oder Susanne Spahn an den Aktivitäten der Integrity Initiative. Wir zitieren Adomeit, ohne Wertung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Im von Wikileaks veröffentlichten Dokumentenkonvolut zur Integrity Initiative findet sich auch ein Dokument, das den Dateinamen „top-3-deliverables-for-fco“. Darin werden „Ergebnisse und Erfolge der Phase 1“ beschrieben. So ganz nebenbei erhält man dabei auch Informationen, die beispielsweise den Verdacht aufkommen lassen, dass zwischen der East Stratcom Task Force und der Integrity Initiative verdeckten Kontakte bestehen könnten oder Informationen, die erklären könnten, warum die russische Regierung oder auch Regierungen anderer Staaten misstrauisch gegenüber gewissen Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO) geworden sind, weil sie sie als U-Boote westlicher Infiltrationsversuche ansehen.
In dem Dokument „Ergebnisse und Erfolge der Phase 1“ heißt es beispielsweise:
„Wir haben eine forensische Plattform eingerichtet, um den russischen Einfluss zu verfolgen und das russische Lockvogel-Netzwerk in Echtzeit aufzudecken.“
Oder:
„Wir arbeiten nur sehr diskret mit Regierungen zusammen, die ausschließlich auf vertrauenswürdigen persönlichen Kontakten beruhen, um sicherzustellen, dass sie unsere Arbeit nicht als Problem betrachten, und um zu versuchen, sie sanft zu beeinflussen, wie es sich für eine unabhängige NRO-Operation wie unsere gehört.“
Dass die Integrity Initiative willens und in der Lage ist durch Medienkampagnen, die mit geheimdienstlichen Methoden abgewickelt werden, in politische Meinungsbildungsprozesse einzugreifen, also das, was den russischen Medien gerade wieder unterstellt wird, das bewies die Integrity Initiative im Dezember 2018 in Großbritannien, als britische Medien im Zuge der allgemeinen Enthüllungen zur Integrity Initiative auch darüber berichteten, dass die Initiative mit schäbigen Methoden der Internet-Hetze versuchte, den Labour-Chef Jeremy Corbyn zu verleumden und sein Ansehen und das seiner Partei in Großbritannien und darüber hinaus zu diskreditieren.
Unter anderem hatte die Integrity Initiative über gefälschte Twitter-Konten Corbyn beschimpfen lassen, doch auch ganz offen. Unter anderem hat die II ihn auf ihrem Twitter-Konto auch offiziell als „nützlichen Idiot“ des Kreml diffamiert.
"Mr Corbyn was a “useful idiot”, in the phrase apocryphally attributed to Lenin. His open, visceral anti-westernism helped the Kremlin cause, as surely as if he had been secretly peddling Westminster tittle-tattle for money..."
— Integrity Initiative (@InitIntegrity) February 23, 2018
Die Vorwürfe waren so massiv und die Reaktionen der Labour-Partei waren so energisch, dass Außenminister Alan Duncan eine Untersuchung des Skandals zusagen und sich einer hochnotpeinlichen Befragung unterziehen musste, bei der er freilich jede Straftat oder unlautere Verwendung von Steuergeldern verneinte.
Dass er damit – nun ja, sagen wir es so, die Wahrheit nicht in der Mitte traf, kam erst später raus. Denn die Stiftungsträgerin der Integrity Initiative, das Institute of Statecraft erstattete wegen der bei Wikileaks veröffentlichten Dokumente Anzeige bei der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde, der OSCR – Office of the Scottish Charity Regulator wegen Datenstiebstahls. Die OSCR kündigte umgehend eine Untersuchung an. Inzwischen liegt auch der Untersuchungsbericht vor. Der aber ist eine einzige Peinlichkeit für das Institute of Statecraft und die Integrity Initiative, denn die OSCR kommt zu mehreren vernichtenden Urteilen.
Das Institut of Statecraft, das die Integrity Initiative getragen hatte, haben den „in Schottland erforderlichen Wohltätigkeitstest nicht erfüllt“. Unter anderem weil die Zwecke nicht ganz gemeinnützig waren, vor allem aber, so die OSCR:
„Eine seiner wichtigsten Aktivitäten, ein Projekt, das als Integrity Initiative bekannt ist, hat keinen öffentlichen Nutzen für die Zwecke der Wohltätigkeitsorganisation erbracht.“
Die Treuhänder hätten gegen ihre Pflichten verstoßen, einige sogar „in ernstem Ausmaß“. Die Nichtüberwachung des Twitter-Accounts habe zu „schwerwiegenden Reputationsschäden“ geführt, womit wahrscheinlich die Verleumdungskampagnen gegen Jeremy Corbyn gemeint sind, die schließlich aufgeflogen sind.
Eigentlich sollte die Anzeige der Integrity Initiative wegen „Datendiebstahl“ vermutlich den Blick der Öffentlichkeit weg von den Inhalten dieser Daten lenken. Die OSCR-Entscheidung hätte aber beinahe bewirkt, dass rechtliche Schritte eingeleitet worden wären, was einen viel größeren Skandal verursacht hätte. Die OSCR-Ermittler schreiben, dass sie erwogen hatten, „formelle Maßnahmen zu ergreifen“, diese aber nicht mehr für nötig halten, „angesichts der von der Wohltätigkeitsorganisation ergriffenen Maßnahmen“.
Zu diesen Maßnahmen gehört auch die offizielle Beendigung des „Engagements der Wohltätigkeitsorganisation für die Integrity Initiative“. Ob und wie damit die Finanzierung der Desinformationskampagnen der Initiative sichergestellt wird, ist derzeit noch unklar. Zuletzt bekam die II noch Gelder unter anderen vom britischen und US-amerikanischen Außenministerium und von der Nato. Es darf als sicher gelten, dass eine so aufwendig eingefädelte verdeckte Propaganda-Operation nicht einfach so sang- und klanglos beendet wird. De facto führt die East Stratcom Task Force die „Arbeit“ der Integrity Initiative weiter, also die Diffamierung russischer Medien, insbesondere staatlich finanzierte, als Propagandainstrumente. Eine Charakterisierung die für staatlich finanzierte Medien westlicher Staaten natürlich nicht gewählt wird.
In den offengelegten vertraulichen Dokumenten über die Integrity Initiative finden sich auch Hinweise auf orchestrierte Medienkampagnen und Beeinflussungsversuche der Öffentlichkeit in verschiedenen Staaten auch im Zusammenhang mit den Beschuldigungen gegen Russland, es sei verantwortlich für den Anschlag auf den verurteilten Doppelagenten Skripal und seine Tochter im britischen Salisbury oder den Absturz des Malaysian Airlines Fluges MH17. In den Dokumenten wird detailliert aufgelistet, mit welchen Mitteln und Methoden das Feindbild Russland in die Köpfe der Menschen gehämmert werden soll, wenn sie partout nicht auf die antirussische Hetze anspringen wollen, wie etwa in Spanien.
In einem als „Vertraulich“ eingestuften Dokument vom 15. April 2018 mit der Überschrift „Warum ist es so schwierig, das Russland-Problem in Spanien anzugehen, und was sollte getan werden?“ kann man bittere Klagen nachlesen, dass die spanische Bevölkerung einfach nicht die Lügen der Integrity Intiative glauben will.
Ähnliches findet sich in einem Dokument vom 10. März 2018 mit der Überschrift „Russische Lügen und der Fall Skripal“, in dem sich Sätze finden lassen wie: „Es ist jedoch ein großes Problem, die breite Öffentlichkeit davon zu überzeugen, diese Erzählung zu akzeptieren. In Großbritannien hat dies viel mit der Wahrnehmung von ‘Fairplay‘ zu tun.“ Und am Ende des Dokumentes kann man dann unter anderem lesen: „Ob der russische Staat und sein Präsident für den potenziell tödlichen Angriff auf Sergei Skripal und seine Tochter Yuliya verantwortlich sind oder nicht, ist noch nicht sicher bekannt. (…) Aber selbst in dieser Phase sollte dies ein Weckruf für die oft zu vertrauensvolle britische Bevölkerung sein, dass es bereits genügend Beweise dafür gibt…“.
In einem als „Streng Vertraulich“ eingestuften Dokument mit der Überschrift „Russische Desinformation bekämpfen – Start einer Online-Kommunikationskampagne, um staatlich gesponserte Propaganda zu informieren, zu entlarven und zu bekämpfen – Umfassender Aktionsvorschlag“ finden sich ebenfalls sehr interessante Informationen. Wir erfahren zum Beispiel, dass eine der wichtigsten französischen Firmen für Internetsicherheit alles andere als unabhängig und vertrauenswürdig ist, sondern eine Tochtergesellschaft der Integrity Initiative.
Bei der Formulierung anderer Sätze ist den Autoren des Dokumentes vermutlich nicht einmal die Ironie ihrer eigenen Propagandasprache bewusstgeworden:
„Das StratCom-Zentrum der NATO untersucht die Desinformationskampagnen Russlands…“, was sicherlich nur ein großer Zufall ist, dass es diese Namensähnlichkeit mit der East Stratcom Task Force der Europäischen Kommission gibt. Es geht weiter mit „…von der US-Regierung finanzierte, unabhängige Nachrichtenseiten wie RFE / RL bietet neue Ressourcen zur Überprüfung von Fakten wie Polygraph.info an, und einzelne Regierungen wie Frankreich haben Schritte unternommen, um gefälschte Nachrichten während der Wahlen einzudämmen.“ Wie das gehen soll, einerseits „von der US-Regierung finanzierte“, aber dann gleichzeitig „unabhängige Nachrichtenseiten“ wird immer das Geheimnis von westlichen Regierungen und ihren Propagandasprachrohren bleiben. Und dann auch noch die von US-amerikanischen Geheimdiensten gegründeten „Radio Free Europe (RFE)“ und „Radio Liberty (RL)“ als unabhängig zu bezeichnen, zeigt die ganze Hybris der Autoren und der geheimdienstlich gesteuerten Integrity Initiative.
Doch es kommt noch schöner: „Tech-Unternehmen wie Facebook, Twitter und Google haben ebenfalls neue Maßnahmen eingeführt, um sicherzustellen, dass ihre Dienste nicht durch ausländische Interessen untergraben werden, z. B. das Herabstufen oder Aufheben der Auflistung von Websites, die als Anbieter gefälschter Nachrichten bekannt sind.“ Natürlich sind die Facebook- und Twitter-Seiten der Integrity Initiative immer noch erreichbar, obwohl der Initiative inzwischen in Großbritannien das Verbreiten gefälschter Nachrichten nachgewiesen wurde, wir erwähnten die Diffamierungskampagne gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn.
Richtig albern aber wird es bei diesem Satz: „Zivilgesellschaftliche Organisationen wie StopFake und Medien wie Snopes haben ebenfalls Maßnahmen ergriffen, um die Desinformationsbemühungen Russlands aufzudecken…“ StopFake ist alles, nur keine zivilgesellschaftliche Organisation, sondern eine von US-Interessen gesteuerte und entsprechend finanzierte Propaganda-Institution. Sie wurde 2014 durch das US-Außenministerium gegründet und entgegen der Behauptung von StopFake.org finanziert sich die Propagandaseite nicht über Crowdfunding, sondern mit Geld der „Development of Ukraine“-Stiftung des ukrainischen Oligarchen Rinat Akhmetov, sowie über eine Stiftung namens „International Renaissance“, die eine 100%-ige Tochter der Open Society Stiftung des Milliardärs George Soros ist.
Dritter im Bund bei StopFake.org ist die US-Stiftung „National Endowment for Democracy (NED)“. Die wird finanziert über das US-Außenministerium, den Gewerkschaftsbund AFL-CIO, (dessen langjähriger Chef George Meany US-Geheimdienstagent war, genauso wie der langjährige Leiter des Verbindungsbüros in Paris, Irving Brown oder der andere Gewerkschaftsführer Jay Lovestone), die US-Handelskammer sowie die Republikanische und die Demokratische Partei. Über diese NED urteilte der frühere Kommunikationschef von US-Präsident Ronald Reagan, der Republikaner Pat Buchanan, sehr zum Ärger von US-Geheimdiensten, die ihn dafür wütend beschimpften:
„Vor einem Jahrzehnt haben die National Endowment for Democracy und ihre Nachkommen dazu beigetragen, die Rosenrevolution in Georgien, die Tulpenrevolution in Kirgisistan, die Zedernrevolution im Libanon, die Orangene Revolution in Kiew und zahllose andere Farbrevolutionen anzufachen und diese Länder in den Machtbereich Amerikas zu bringen.“ (Pat Buchanan, in „NED’s Chickens Come Home to Roost“, Freitag, 18. April 2014, 12:07 Uhr, auf buchanan.org)
Es ist sicherlich nicht überraschend, dass der hier schon erwähnte Fake News Autor der Bild-Zeitung, Julian Röpcke, aktiv auf StopFake.org ist.
Leider beteiligen sich auch halbwegs seriöse deutsche Medien wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ an der gegenwärtigen Hetzkampagne. In einem am 30. März mit „Corona-Fake News – Wie russische Medien Verunsicherung erzeugen“ überschriebenen Artikel wiederholt der Autor die vom Bundesverfassungsschutz widerlegte Lüge der Bild-Zeitung von einer angeblichen Überwachung des russischen Fernsehkanals RT Deutsch wegen dessen Corona-Berichterstattung.
Der FAZ-Autor wertet einen mit fundierten wissenschaftlichen Fakten belegten Artikel von Sputniknews Deutschland vom 28. März „Corona-Krise: Fehlerhafte Daten Grundlage weitreichender politischer Entscheidungen?“ ab, weil dem Autoren die Aussagen der Wissenschaftler, unter ihnen, John P. A. Ioannidis von der University of Stanford nicht gefallen. Er zitiert wie die Bild-Zeitung selektiv und aus Sinnzusammenhängen reißend. Und er erfindet direkte Anweisungen der russischen Regierung: „Die generelle Linie, die von den Sendern der russischen Auslandspropaganda gefahren werden soll, wird in wöchentlichen Treffen im Kreml festgelegt.“ Klassische Propaganda, die natürlich nicht bei StopFake.org oder der Datenbank der East Stratcom Task Force gelistet werden.
Schließlich erhebt er eine weitere denunzierende Beschuldigung gegen einen Journalisten von Sputniknews Deutschland, die bereits beim ersten Nachprüfen als Fake News in sich zusammenfällt.
Der FAZ-Autor: „So schlägt der frühere Leiter des Berliner Büros von ‚Russland heute‘, Andrej Iwanowskij, in einem Kommentar auf Sputnik vor, dass Wort ‚Coronavirus‘ durch die Worte ‚Grippe‘ oder ‚Lungenentzündung‘ zu ersetzen, um dem weltweiten ‚hysterischen Selbstkasteien‘ ein Ende zu setzen.“
Das tatsächliche Original lautet: „Wie ein Psychologie-Dozent aus Kasan jüngst in seinem Blog vorschlug, sollte das Wort ‚Coronavirus‘ überhaupt getilgt und durch ‚Grippe‘ bzw. ‚Lungenentzündung‘ ersetzt werden.“
Die Leser mögen sich ihre eigenen Gedanken machen, wie glaubwürdig solche Journalisten sind, wenn sie russischen Medien Fake News und Propaganda vorwerfen.
(Stand: 11.04.2020)
Hier können Sie unseren Kommentar zur gegenwärtigen Hetzkampagne gegen russische Medien lesen.