EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier hat noch einige harte Monate vor sich, um ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien auszuhandeln (Bild vom 3. Februar).
Normalerweise dauern Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mehrere Jahre. Nach dem Brexit bleiben den Unterhändlern Großbritanniens und der EU nur wenige Monate, um bis zum 31. Dezember alles unter Dach und Fach zu haben. Wie schwierig das sein wird, zeigt die Vielzahl an Fragen wie beispielsweise zum Zugang für EU-Fischer in britische Hoheitsgewässer, Tierimporte, Normen oder Umweltschutzstandards, die es bis dahin zu lösen gilt.
Theoretisch hätte die britische Regierung bis Ende Juni die Möglichkeit, eine Verlängerungsfrist in Brüssel für die Verhandlungen zu beantragen, doch das scheint man in London nicht wirklich in Betracht zu ziehen. Vizepremierminister Michael Gove erhöhte stattdessen den Druck auf die EU und sagte, dass wenn bis Juni kein "guter Fortschritt" erzielt werden könnte, man sich auf Vorbereitungen für einen harten Bruch fokussieren werde.
Wir wollen die bestmöglichen Handelsbeziehungen mit der EU haben, aber auf der Suche nach einem Deal werden wir unsere Souveränität nicht eintauschen. … Am Ende der Übergangsphase am 31. Dezember wird das Vereinigte Königreich seine vollständige wirtschaftliche und politische Freiheit wiedererlangen.
Während Brüssel eine enge Anbindung Großbritanniens an den EU-Wirtschaftsblock sucht und weiterhin die EU-Normen und Vorgaben durchsetzen möchte, stellt sich die Regierung von Premierminister Boris Johnson eher ein Modell wie zwischen der EU und Kanada vor. Davon will man in Brüssel aber nichts wissen. Das Handelsvolumen mit Großbritannien sei viel größer als mit Kanada und man befürchtet, dass niedrigere Standards dazu führen könnten, dass London vom einstigen Partner zur Bedrohung für den europäischen Markt wird. Dazu sagte Gove vor dem Parlament:
Um klar zu sein, wir werden nicht versuchen, uns dynamisch an EU-Vorschriften zu EU-Bedingungen anzupassen, die durch EU-Gesetze und EU-Institutionen geregelt sind.
Damit scheint Großbritannien auf Konfrontationskurs zur EU zu gehen, um den Druck bei den Verhandlungen maximal zu erhöhen. Einerseits will sich Johnson als starke Führungspersönlichkeit im Königreich präsentieren, der mit einem starken Mandat der Wählerinnen und Wähler den Brexit durchziehen soll. Andererseits will sich aber auch Brüssel keine Blöße geben und an Großbritannien – wie während der Finanzkrise mit Griechenland – ein Exempel statuieren, um möglichen Nachahmern vor Augen zu führen, was ein Austritt aus der EU für ihr Land bedeuten würde.