Der Bundesnachrichtendienst (BND) und die CIA spionierten in den Jahren von 1970 bis 1993 die verschlüsselte Kommunikation von über 100 Staaten aus. Hunderttausende geheime Nachrichten zwischen Regierungsämtern, Behörden, diplomatischen Vertretungen und militärischen Stellen wurden dabei systematisch belauscht. Dies geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten hervor, die von führenden Mitarbeitern beider Geheimdienste verfasst wurden.
Diplomatische und militärische Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäischer Staaten (…) konnten (...) flächendeckend mitgelesen werden", heißt es in den Akten.
Die als "Operation Rubikon" getaufte Geheimdienstaktion wird in den rund 280 Seiten umfassenden Dokumenten als "eine der erfolgreichsten nachrichtendienstlichen Unternehmungen der Nachkriegszeit" bezeichnet.
Der frühere Kanzleramtsminister und Geheimdienstkoordinator Bern Schmidbauer (CDU) bestätigte die gemeinsame Operation von BND und CIA. Die Operation Rubikon habe zur Sicherheit in der Welt beigetragen. Im Jahr 1993 habe der BND diese Zusammenarbeit mit der CIA jedoch beendet.
Die Abhöroperation lief über eine schweizerische Firma mit Sitz in Zug. Das schweizerische Portal Watson schreibt dazu:
1970 kaufen der westdeutsche BND und die CIA zu gleichen Teilen die Firma Crypto AG mit Sitz in Zug – verschleiert über eine Stiftung in Liechtenstein. Bereits vorher bestand eine lose Zusammenarbeit, doch mit dem Kauf der Firma hatten die Geheimdienste nun die totale Kontrolle. Die Crypto AG war Marktführerin für Chiffriergeräte – Maschinen, die geheime Kommunikation verschlüsseln sollen, damit sie nicht abgehört wird.
Und weiter:
Die Crypto AG hat über Jahrzehnte zwei Formen von Verschlüsselung in die Geräte eingebaut: eine sichere und eine unsichere, also knackbare. Die sichere Ausführung erhielten nur wenige Länder, unter anderem die Schweiz.
Den Dokumenten zufolge waren auch die Schweizer Geheimdienste in die Operation Rubikon eingeweiht. Weitere Quellen lassen zudem darauf schließen, dass die CIA diese Operation nach dem Ausstieg des BND noch bis mindestens 2018 weiterführte.
Hinweise auf Geheimdienstverbindungen und kompromittierte Sicherheitstechnologie der Zuger Firma Crypto AG gab es allerdings schon früher. So berichtete beispielsweise die BBC bereits im Jahr 2015 auf Basis deklassifizierter Unterlagen über die Zusammenarbeit des Schweizer Technologieunternehmens mit Nachrichtendiensten der USA (National Security Agency, NSA) und Großbritanniens (Government Communications Headquarters, GCHQ).
Geheimdienstexperten und Historiker haben die neuen jetzt veröffentlichten Akten ausgewertet.
Die Operation Rubikon war eine der kühnsten und auch skandalträchtigsten Operationen, denn über hundert Staaten zahlten Milliarden US-Dollar dafür, dass ihnen ihre Staatsgeheimnisse gestohlen wurden", so das Fazit von Prof. Richard Aldrich von der Universität Warwick.
Eine Firma aus der als neutral geltenden Schweiz war vor allem während des Kalten Krieges ein wichtiges Verkaufsargument bei sensibler Informationstechnologie. Damit konnten sich insbesondere die USA maßgebliche Vorteile bei Verhandlungen und strategischen Operationen bis hin zur Kriegsführung sichern.
Die Crypto-Geräte spielten etwa eine essenzielle Rolle bei den Camp-David-Verhandlungen 1979, bei den Verhandlungen über die US-amerikanischen Geiseln im Iran 1981 und bei der US-Invasion in Panama 1989", erläutert Watson.
Die Akten belegen zudem, dass CIA und BND über den Putsch gegen den chilenischen Präsidenten Salvador Allende 1973 sowie die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Militärjunta in Argentinien in den Jahren von 1976 bis 1983 informiert waren. Über die Weitergabe entschlüsselter Kommunikation der argentinischen Marine trug die Operation Rubikon auch entscheidend zum Sieg Großbritanniens im Falklandkrieg 1982 bei.