Der französische Präsident Emanuel Macron lehnte das ab. Er hob am Freitag in einer Grundsatzrede zur Atomwaffen-Doktrin die Bedeutung der nuklearen Abschreckung hervor und lud die europäischen Partner zu einem strategischen Dialog ein. Außerdem könnten sie sich an entsprechenden französischen Militärübungen beteiligen. Mit anderen wolle Frankreich sein nationales Atomarsenal jedoch nicht teilen, betonte Macron. Die Diskussion ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass nach dem Brexit Frankreich die einzige Atommacht in der EU bleibt.
Wadephuls Äußerungen ordnet der Abrüstungsexperte vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS), Otfried Nassauer, „in eine Reihe von Äußerungen anderer Politiker ein, in dem jeweiligen Vorfeld der Münchener Sicherheitskonferenzen. Da greift er Gedanken über eine verstärkte europäische Zusammenarbeit im Rüstungs- und Verteidigungsbereich auf - wie soll Europa militärisch handlungsfähig werden.“ Nassauer bezweifelt im Sputnik-Interview, ob Atomwaffen die beste Idee dafür sind. Die Frage sei auch, „ob Europa unsinnigerweise gemeinsame Verfügung über Atomwaffen haben sollte“. Das werte die Rolle atomarer Waffen nur unnötig auf, glaubt der BITS-Direktor.
„Wir als Deutsche brauchen mit Sicherheit keine eigenen Atomwaffen. Und es wäre ausgesprochen schädlich, wenn ein Staat, der sowohl im Zwei-plus-Vier-Vertrag, im Atomwaffensperrvertrag als auch in anderen Kontexten auf Atomwaffen verzichtet hat, wieder in die Entwicklung von Atomwaffen einsteigen würde - als nationales Projekt“, so Nassauer.
An den Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags erinnert auch der Wiener Friedensforschers Dr. Thomas Roithner. Nach seiner Auslegung sieht diese Vereinbarung die „vollständige Abrüstung“ vor. Dort heißt es im genauen Wortlaut: „Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung sowie über einen Vertrag zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“ Das gelte auch für Frankreich, betont der Wissenschaftler. Zudem sei interessant, „ab welchem Punkt die Verfügungsgewalt durch eine europäische Dimension der französischen Atomwaffen auch andere Staaten berührt“, bemerkt Roithner via Twitter.
Die Sprecherin des Friedensnobelpreisträgers „ICAN“ (Anm. d. Red.: „Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“), Anne Balzer, fragt: „Wie kann Deutschland überzeugend gegen die nukleare Aufrüstung anderer argumentieren und gegen das nukleare Streben Nordkoreas oder des Irans eintreten, wenn es Teil einer neuen europäischen nuklearen Abschreckungsinitiative wird? Es wäre in der Tat noch inkonsequenter als die bereits bestehende nukleare Teilhabe der Nato mit US-Atomwaffen“, schreibt Balzer in einem Beitrag auf der Seite der „Internationalen Politik und Gesellschaft“ (IPG). Deutschland müsse, ihrer Ansicht nach, eine eigenständige Außen- und Sicherheitspolitik entwickeln. Doch dazu gehöre in einigen Bereichen auch mehr Verantwortung. „Die Beteiligung an Nuklearwaffenprogrammen kann langfristig jedoch kein Teil davon sein“, so die ICAN-Sprecherin.
Der Koalitionspartner der Union im Bundestag hält derweil eine derartige Diskussion für überflüssig: Es gebe keinen Anlass für eine Debatte darüber, ob Deutschland sich am französischen Atomwaffenprogramm beteiligen sollte. „Eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen bleibt unser Ziel“, bekräftigt der außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestags, Nils Schmid.