Nach der Ermordung des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani und dem Vizechef der irakischen Volksmobilisierungskräfte Abu Mahdi al-Muhandis durch die USA wurden umgehend Rufe nach der Verbannung der US-Truppen aus dem Land laut. Das Parlament gab diesem Ruf eine demokratische Legitimation und stimmte in einer Resolution für den Abzug aller NATO-Truppen.
Es liegt an der Regierung des Übergangsministerpräsidenten Adil Abd al-Mahdi, diese Resolution in die Tat umzusetzen und mit den Regierungen, die sich am Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) beteiligt haben, einen Abzug auszuhandeln. Doch vor allem die USA, aber auch Deutschland, weigern sich vehement, diesem Wunsch nachzukommen. US-Präsident Donald Trump drohte Bagdad unverhohlen mit schweren Sanktionen und Beschlagnahmung irakischer Guthaben, sollte al-Mahdi auf einem Abzug bestehen.
Damit er dem Druck westlicher Regierungen nicht nachgibt – oder es ihm politisch zumindest so schwer wie möglich gemacht wird –, hat der Oppositionspolitiker und schiitische Geistliche Muqtada as-Sadr zum "Millionenmarsch" aufgerufen. Seinem Aufruf sind Sunniten wie Schiiten gleichermaßen gefolgt, nachdem er eine strikte Anweisung an seine Anhänger ausgegeben hatte, ausschließlich irakische Nationalflaggen zu benutzen und auf sämtliche Fahnen der verschiedensten Widerstandsgruppierungen zu verzichten. Laut dem irakischen Polizeikommandanten Dschafar al-Batat hat über eine Million Menschen an dem Protestzug teilgenommen.
حشود مليونية تتوافد على بغداد للتظاهر ضد الاحتلال الامريكي ومطالبة بخروج القوات الامريكية من #العراق#الحرب_الناعمة_الملونةpic.twitter.com/UaWAAJF9a8
— د. حيدر بن علي اللواتي (@DrAl_Lawati) January 24, 2020
Der Marsch verlief friedlich und endete mit konkreten Forderungen Sadrs an die Regierung von al-Mahdi: Sämtliche ausländische Militärbasen im Irak sollen geschlossen werden; der Widerstand soll vorübergehend ausgesetzt werden, bis der letzte "Besatzer" das Land verlassen hat; sämtliche Sicherheitsabkommen mit den USA sollen ausgesetzt werden; ein fester Abzugstermin für die US-Truppen soll vereinbart werden; und Milizen wie die Volksmobilisierungskräfte sollen in reguläre Einheiten des Verteidigungs- und Innenministeriums integriert werden. Der letzte Punkt war ein Signal an die USA, aber auch an die eigene Regierung: Wir werden unser Bestes geben, nicht in einen erneuten Krieg gegen die Besatzer zu ziehen.
Unterdessen haben die USA ihre Sicherheitsvorkehrungen rund um die US-Botschaft in Bagdad verändert. Statt der Special-Purpose-Marine-Air-Ground-Task-Force-Crisis-Response-Einheit, die für den Schutz von Botschaften und Such- und Rettungsoperationen ausgebildet ist, werden Kampfeinheiten der 82. Luftlandedivision die Absicherung der Botschaft übernehmen. Das gab ein Sprecher des US Central Command (CENTCOM) bekannt, ohne die Hintergründe dieses Wechsels zu benennen.