von Kani Tuyala
Es war der irakische Premierminister Adil Abd al-Mahdi, der nach der Ermordung des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani zu Protokoll gab, dass sich dieser zum Zeitpunkt seiner gezielten Tötung auf diplomatischer Mission im Irak befand. Er sollte eine Antwort der iranischen Regierung auf eine geheime Initiative Saudi-Arabiens übermitteln, die darauf abzielte, Spannungen in der Region abzubauen. Doch vorher meldete sich Washington zurück, um regionale Bemühungen um Stabilität und Entspannung mit aller Macht zu verhindern.
Es wurde erwartet, dass er für mich eine Nachricht von der iranischen Seite mit sich führt, die auf die saudische Botschaft antwortet, die wir an die iranische Seite geschickt hatten, um Vereinbarungen und Durchbrüche zu erreichen, die für die Situation im Irak und in der Region wichtig sind", erklärte ein erboster Abd al-Mahdi nach dem Mordanschlag auf Soleimani.
Der iranische Top-General plante also keineswegs "unmittelbar bevorstehende" Angriffe auf US-Einrichtungen und militärisches Personal, wie US-Außenminister Mike Pompeo in den vergangenen Tagen nicht müde wurde zu betonen. Diese unbewiesene Behauptung zur Rechtfertigung der Tötung Soleimanis wurde jüngst von US-Verteidigungsminister Mark Esper relativiert, als er erklärte, selbst keine entsprechenden geheimdienstlichen Beweise "gesehen" zu haben, deren Existenz Pompeo und Trump behauptet hatten.
Darüber hinaus verweisen selbst US-Medienerzeugnisse darauf, dass sich Washington absolut im Klaren über die Mission Soleimanis im Irak war. Eines scheint außerdem gewiss: Durch die Tötung Soleimanis befindet sich keiner der regionalen Protagonisten in einer komfortableren Position als zuvor.
Die Saudis befinden sich in einer sehr schwierigen Lage, die fast ausschließlich von den Amerikanern verursacht wird", erklärte dazu etwa Henry Rome, Iran- und Israel-Analyst bei der Eurasia Group, einem Beratungsunternehmen für globale politische Risiken.
Der Wunsch nach Annäherung zwischen der absolutistischen Golfmonarchie und der Islamischen Republik Iran zeichnete sich bereits Ende vergangenen Jahres ab. Sie folgte auf den bis heute nicht aufgeklärten Angriff auf saudische Aramco-Ölfelder am 14. September 2019, für den sowohl Washington als auch Riad umgehend Teheran verantwortlich machten – nachdem die jemenitischen Huthi-Rebellen bereits die Verantwortung übernommen hatten.
Die zaghafte Annäherung ist dabei dem Umstand geschuldet, dass die USA als saudische "Schutzmacht" in dem ungeklärten Fall – und nach dem Abschuss einer US-Drohne durch das iranische Militär – nicht umgehend militärisch reagierten. Hinzu kommt Trumps für Riad und die weiteren regionalen Verbündeten unkalkulierbare Außenpolitik als oberster Vertreter der liebgewonnenen "Ordnungsmacht". Die militärische Verlässlichkeit Washingtons scheint dahin.
Dies sorgt zunehmend für Unruhe in Riad und führte Kronprinz Mohammed bin Salman die Notwendigkeit vor Augen, sich nun regional auf dem diplomatischen Parkett üben zu müssen. Daraufhin öffneten sich saudische Palasttüren für regionale Entspannungsbemühungen. Auch die eigenen militärischen Unzulänglichkeiten, die man auf eindrückliche und verheerende Weise im Jemenkrieg unter Beweis stellt, mahnten Riad zum Umdenken.
Wir haben gesehen, wie sich die Saudis von ihrer einst ziemlich scharfen konfrontativen Haltung gegenüber dem Iran zurückgezogen haben. Wir sahen, wie sie sich mehr mit der Idee befassten, einen Dialog mit dem Iran anzustreben", erklärte vor wenigen Tagen Nahost-Expertin Emily Hawthorne vom geopolitischen US-Beratungsunternehmen Stratfor.
Wie die New York Times im Oktober 2019 berichtete, räumten saudische Regierungsbeamte ein, dass der Irak und Pakistan angeboten hätten, Gespräche zwischen dem Iran und Saudi-Arabien zu vermitteln. Gleichzeitig bestritten sie jedoch, dass der Kronprinz dabei die Initiative ergriffen habe.
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Dennoch erklärten irakische und pakistanische Offizielle, dass der saudische Kronprinz die Staatsoberhäupter des Irak und Pakistans darum gebeten habe, Gespräche mit Teheran über die Möglichkeiten der Deeskalation aufzunehmen. Tatsächlich begab sich der pakistanische Ministerpräsident Imran Khan Mitte Oktober dann zu Gesprächen nach Teheran und Saudi-Arabien.
Der Iran begrüßte die Gesten und erklärte privat und öffentlich, dass er für Gespräche mit Saudi-Arabien offen sei", heißt es in dem Bericht vom Oktober 2019.
Im Lichte der Aussagen des irakischen Premierministers Abd al-Mahdi über die Absichten Soleimanis im Irak und dessen Ermordung kurz nach der Ankunft auf dem Bagdad International Airport ist es bemerkenswert, dass sich einige Tage nach Khan auch der irakische Premierminister nach Saudi-Arabien begab. Demnach habe der saudische Kronprinz Abd al-Mahdi in den Gesprächen darum gebeten, zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zu vermitteln. Ein "hochrangiger irakischer Diplomat" schlug schließlich Bagdad als Veranstaltungsort für ein mögliches Treffen vor.
Der iranische Außenminister Dschawad Sarif, der nach der Ermordung Soleimanis auch dessen entscheidende Rolle im Kampf gegen den IS betont hatte, ergänzte im vergangenen Jahr, dass der Iran "Saudi-Arabien auf jeden Fall mit offenen Armen begrüßen" werde. Teheran stellte nur eine Bedingung: Die Saudis müssten den freundschaftlichen Beziehungen zu den Nachbarstaaten den Vorrang vor dem Kauf von Waffen aus den Vereinigten Staaten geben.
Auch andere Golfstaaten und enge saudische Verbündete wie Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sprachen Ende vergangenen Jahres offen über die Notwendigkeit, die regionalen Spannungen auf diplomatischem Wege zu reduzieren. Womöglich auch in Folge direkter Gespräche mit der iranischen Führung zogen sich die Emirate militärisch aus dem Jemenkrieg zurück. Auch Saudi-Arabien reduzierte demnach seine Luftangriffe seither um 80 Prozent.
Solch eine echte Perspektive auf eine Reduzierung der regionalen Spannungen wäre für Washington ein geostrategischer Alptraum, geht es doch darum, durch Destabilisierung die Region – auch im Sinne der aktuellen israelischen Regierung – zu kontrollieren. Und gerade das Bollwerk Iran muss daher zwingend isoliert und als "Sponsor des Terrors" gebrandmarkt werden.
Die Anti-Iran-Allianz schwankt nicht nur, sie bricht zusammen. Bolton ist weg; Bibi geht; MBZ [Kronprinz Muhammad bin Zayed der Vereinigten Arabischen Emirate, Anm. d. Red.] hat seinen Deal mit dem Iran abgeschlossen; MBS [der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, Anm. d. Red.] ist nicht weit dahinter. Und unser furchtloser Führer? Nachdem er es nicht geschafft hat, den Iran abzuschrecken, sucht er nun verzweifelt nach einem Deal mit ihnen", orakelte am 3. Oktober 2019 der ehemalige Diplomat Martin Indyk vom US-amerikanischen Thinktank Council on Foreign Relations auf Twitter.
The Anti-Iran Alliance is not just faltering, it’s crumbling. Bolton is gone; Bibi is going; MBZ has struck his deal with Iran; MBS is not far behind. And our fearless leader? Having failed to deter Iran he’s now desperate for a deal with them. https://t.co/ocF0SOW2R7
— Martin Indyk (@Martin_Indyk) October 3, 2019
Die "unmittelbare Bedrohung", die laut US-Administration vermeintlich von Soleimani ausging, bestand daher wohl vor allem in einer möglichen Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.
Gibt es irgendeine Geschichte, die darauf hinweisen würde, dass es auch nur annähernd möglich wäre, dass dieser freundliche Herr, dieser hochrangige Diplomat, Qassem Soleimani, nach Bagdad gereist ist, um eine Friedensmission durchzuführen. Wir wissen, dass das nicht wahr ist", wusste US-Außenminister Pompeo über Soleimani zu berichten.
Der Drohnenmord an Qassem Soleimani wird den erodierenden Einfluss Washingtons im Nahen Osten allerdings kaum kompensieren können. Für die regionalen Mächte wird er womöglich vielmehr erneut die Notwendigkeit unterstreichen, ihre gemeinsame Zukunft auf diplomatischem Weg selbst in die Hand zu nehmen.
Aufgrund des allzu durchschaubaren US-Vorgehens deutet einiges darauf hin, dass das regionale Interesse daran, die eigenen Deeskalationsbemühungen aufzugeben, eher gering ist. So beauftragte der saudische Kronprinz seinen jüngeren Bruder, den stellvertretenden saudischen Verteidigungsminister Khalid bin Salman, damit, nach Washington und London zu reisen, um vor Ort zur Zurückhaltung gegenüber dem Iran aufzurufen.
Upon directives from HRH the Crown Prince, I had the pleasure of meeting with @RealDonaldTrump yesterday to deliver a message from the Crown Prince, and review aspects of our bilateral cooperation, including efforts to confront regional and international challenges. pic.twitter.com/q7uXlgSjx8
— Khalid bin Salman خالد بن سلمان (@kbsalsaud) January 7, 2020
Andere Golfstaaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate stellten nach dem Mordanschlag auf Soleimani ähnliche Forderungen.
Die Botschaft der Golfstaaten an die USA ist klar: Sie sagen Trump: Bitte ersparen Sie uns den Schmerz, einen weiteren Krieg zu führen, der für die Region zerstörerisch wäre. Wir werden die Ersten sein, die den Preis für eine militärische Eskalation zahlen. Es ist also in unserem Interesse, dass die Dinge nicht außer Kontrolle geraten", erklärte Abdulkhaleq Abdulla, Professor für Politikwissenschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Das Weiße Haus bestätigte das Treffen des stellvertretenden saudischen Verteidungsministers mit Trump erst, nachdem die saudische Seite entsprechende Bilder auf Twitter veröffentlichte.
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