Am Donnerstag fand das erste Treffen des designierten US-Präsidenten Donald J. Trump mit den Leitern der Geheimdienste statt. Die unkonventionellen politischen Ansätze des Newcomers im Weißen Haus sorgen dort für einige Irritationen.
Der Wahl des Außenseiters Donald J. Trump zum 45. Präsidenten der USA hat nicht nur die politische Elite selbst in Schockstarre versetzt. Auch in jenen Institutionen, deren Aufgabe es über Jahrzehnte war, dieser zuzuarbeiten und ihr Entscheidungsgrundlagen auf der Basis eines geteilten Konsenses zu liefern, machen sich teils Entsetzen, teils Ratlosigkeit breit.
Die US-Geheimdienste gehören zu jenen Einrichtungen, die mit der größten Unsicherheit den Amtsantritt des 70-jährigen Immobilienmagnaten erwarten, der noch nie zuvor ein politisches Amt bekleidet hatte. Erst im Juni 2015 in die Politik eingetreten, wird Trump vom 20. Januar 2017 an die Richtlinien der Arbeit der Geheimdienste bestimmen und Zugang zu deren geheimsten Informationen bekommen.
Am Donnerstag hat, so schreibt die Washington Post, Trump erstmals an einer Sichtung der Ergebnisse des täglichen Präsidenten-Briefings teilgenommen. Diese streng geheime Zusammenfassung der Sicherheitsentwicklung findet täglich statt und der designierte Präsident wird diesmal über die gleichen Inhalte unterrichtet wie der noch amtierende Barack Obama.
Anschließend nahm Trump noch an mehreren Treffen mit hohen Funktionsträgern der CIA teil, in denen er über geheime Operationen des Dienstes gegen Terroristen, über weltweit abgefangene Kommunikationen politischer Führer und Satellitenfotos von Nuklearkomplexen in Nordkorea in Kenntnis gesetzt wurde.
Zusammenkünfte dieser Art dienen der Vorbereitung auf die spätere Zusammenarbeit mit den Sicherheitsdiensten. Diese könnte sich in diesem Fall nicht frei von Unwägbarkeiten darstellen. Die Geheimdienst-Community fühlt sich durch eine Reihe von Aussagen, die Donald J. Trump im Laufe seiner überaus kurzen politischen Laufbahn getätigt hat, bereits jetzt mächtig auf den Schlips getreten. Die Washington Post schreibt gar von "erheblicher Verachtung", die Trump den Diensten entgegenbrachte. Die anerkennenden Worte, die der designierte Präsident in seiner ersten Rede nach der Wahl über die Angehörigen der Geheimdienste gerichtet hatte, konnten diese Missstimmung nicht restlos ausbügeln.
Dass die Wunschkandidatin der Geheimdienste, Hillary Clinton trotz jahrzehntelanger politischer Erfahrung und eines überwältigenden Rückhalts aus Politik, Medien und Bürokratie gegen den Newcomer aus Queens verlor, hat auch in den Apparaten selbst für Katzenjammer gesorgt. Bereits im Vorfeld der Wahl waren Berichte in den Medien aufgetaucht, wonach bis zu 35 Prozent aller Staatsbediensteten daran dächten, im Falle der Wahl Trumps zum Präsidenten ihren Dienst zu quittieren. Die Wähler des Milliardärs scheinen dies eher als Bestätigung hinsichtlich ihrer Wahlabsicht gesehen zu haben, die Behörden selbst stellt es nun vor gewisse Unsicherheit. Ein nicht unerheblicher Teil der Beamten, die das Handtuch werfen wollen, scheint aus dem Sicherheitsapparat zu kommen.
Der pensionierte Air-Force-General und ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden, der 2008 die Einführung des frischgewählten, höchst skeptischen Barack Obama in die Antiterror-Operationen des Nachrichtendienstes gestaltet hatte, erklärte, die Beamten würden ihrem ersten Treffen mit Trump auf professionelle Weise, aber auch konsterniert entgegensehen.
Ich kann mich an keinen gewählten Präsidenten erinnern, der sich über Geheimdienstinformationen, die er während einer Wahlkampagne erhalten sollte, so abschätzig verhalten und sich so skeptisch über die Qualität und Authentizität von Informationen geäußert hätte", erklärte Hayden am Mittwoch in einem Telefoninterview mit der WP.
Die Treffen mit Trump in den kommenden Wochen werden voraussichtlich in professioneller Weise durchgeführt, aber würden von "ein wenig Vorsicht, ein wenig Sorge" gekennzeichnet sein. Die Zeitung zitiert auch einen anonymen Offizier des Geheimdienstes, der am Tag nach der Wahl "halb ängstlich, halb abwartend" zur Arbeit gegangen sei. Es sei ungewiss, ob es eine Austrittswelle aus dem Dienst von Leuten geben werde, die zwar bereit gewesen wären, mit Hillarys Team zusammenzuarbeiten, aber nun mit Blick auf einen künftigen obersten Dienstherrn Donald J. Trump ans Aufgeben denken.
Neben gekränkter Eitelkeit sorgt unter anderem auch Trumps Ankündigung aus dem Wahlkampf für Irritationen, der CIA die Rückkehr zu Verhörmethoden aufzutragen, die von US-amerikanischen Gerichten und im Lichte internationaler Konventionen als Folter eingestuft werden. Im Jahr 2009 hatte Obama zusammen mit der Führung und dem Kongress dafür gesorgt, dass diese Praktiken eingestellt würde und eine Rückkehr dazu ausgeschlossen wäre.
Zwar ruderte Trump im weiteren Verlaufe des Wahlkampfs kontinuierlich zurück, ein Programm, das die Wiedererrichtung von Geheimgefängnissen im Ausland beinhalten würde, könnte der neue Präsident aber durchaus in die Wege leiten. Der frühere Chefberater der CIA, John Rizzo, bezweifelte, dass sich Länder dazu bereiterklären würden – eine Behauptung, für die die jüngere Geschichte allerdings keine zwingenden Anhaltspunkte liefert.
Allerdings könnte ein erheblicher Teil der Bediensteten sich weigern, Anordnungen dieser Art auszuführen. "Vor dem Hintergrund dessen, was es den Dienst an Ansehen kostet", erklärte Rizzo, "gäbe es extrem starke Widerstände". Sollte eines Tages auf Trump ein Präsident folgen, der sich den aktiven Kampf gegen Folter oder ungesetzliche Anhaltungen auf die Fahnen geschrieben hat, hätten die Beteiligten zudem Konsequenzen zu befürchten.
Vor allem aber stören sich die Geheimdienstspitzen an Trumps Positionen zu Syrien und Russland. Eine flapsige Bemerkung im Wahlkampf, die von seinen Gegnern als Aufforderung an den Kreml interpretiert wurde, Clintons E-Mails zu stehlen, und seine Zurückweisung von Schlüssen vonseiten der Geheimdienste, wonach Russland hinter einer Cyberattacke auf seine Widersacherin und die Demokratische Partei stecken würde, werden in den Kreisen der Dienste als noch nie gekannter Affront betrachtet.
Trump stellte die Darlegung als nicht fundiertes Gerücht dar. Im letzten Monat sagte er:
Ich weiß nicht, ob sie [die Russen] dahinterstecken, und um ehrlich zu sein, ich denke, dass das PR ist.
Die Vorstellung, dass sich die Dienste diesen Misstrauensvorschuss vonseiten des gewählten Präsidenten - den im Übrigen auch weite Teile seiner Wählerschaft mit ihm teilen - auch durch zweifelhaftes Agieren in den eigenen Reihen selbst erarbeitet haben könnten, scheint in deren Chefetagen nicht weit verbreitet zu sein.
Dass es höchst unzuverlässige Informationen waren, die Bushs Regierung einst 2003 zur Begründung der Invasion im Irak herangezogen hatte, oder dass auch in weiterer Folge zahlreiche Einschätzungen eher einer politischen Agenda als einer objektiven Abwägung geschuldet waren, ist vielen offenbar nicht mehr präsent.
Es werden vor allem zwei wesentliche Problembereiche sein, die über die Qualität und Effizienz der künftigen Zusammenarbeit zwischen Donald J. Trump und den US-Geheimdiensten entscheiden. Einen davon spricht die Washington Post an, wenn sie darauf hinweist, dass der künftige Präsident mit Blick auf die von ihm angekündigte Bekämpfung terroristischer Gruppen noch nicht deutlich gemacht hat, welche Einheiten er dafür abstellen wolle und in welcher Weise. Hier wäre es jedoch die Aufgabe der Dienste selbst, mögliche Szenarien und Wege darzustellen, um dem Präsidenten eine Entscheidungsgrundlage zu liefern.
Der andere wird hingegen das Arbeitsparadigma sein, auf dessen Basis die Dienste ihre Quellen auswählen, ihre Informationen einholen, diese auswerten und in weiterer Folge ihre Analysen weiterreichen. Mit Blick auf die Russische Föderation scheint dieses Arbeitsparadigma aus der Zeit des Kalten Krieges zu stammen, als die CIA und andere Dienste vor allem aus der Sowjetunion Geflüchtete oder bezüglich deren Regierung antagonistische Kräfte als Quellen nutzte.
Diese und ihre Einschätzungen dürften bis heute auch das Bild der Russischen Föderation als Rechtsnachfolgerin des untergegangenen sozialistischen Großreiches bestimmen. Aus Sicht des Großteils der US-amerikanischen Geheimdienstcommunity ist die Russische Föderation immer noch ein aggressives, von unbelehrbaren Alt- und Nationalkommunisten gelenktes Staatswesen, in dem der FSB als KGB 2.0 die Entscheidungen trifft und das die osteuropäischen Nachbarstaaten drangsaliert, um eines Tages wieder den sowjetischen Machtbereich in den Grenzen von 1949 herzustellen.
Bisherige Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten haben dieses Paradigma nie infrage gestellt, zumal es jeweils wie angegossen in ihr Weltbild passte. Republikaner wie die Mitglieder der Bush-Familie, John McCain, Bob Dole oder Mitt Romney betrachteten Russland sowohl aus ihrer antisowjetischen Prägung als auch aus ihrer Affinität zu neokonservativen Gedankengängen heraus als Gefahr. Bei den Kandidaten und Amtsinhabern der Demokraten ist es vor allem deren Neigung zum liberalen Interventionismus, der sie zu der festen Überzeugung gelangen lässt, das Werbeverbot für nicht traditionelle Beziehungen gegenüber Minderjährigen oder Haftstrafen für die "Pussy-Riot-Frauen" zum Anlass für eine Politik der Konfrontation nehmen zu müssen.
Donald J. Trump hingegen ist der erste Präsident neuen Typs, der ins Amt eintritt. Er vertritt kein geschlossenes ideologisches Weltbild – weder ein liberales noch ein konservatives -, analysiert die politische Sachlage aus dem Blickwinkel eines durchschnittlichen amerikanischen Kleinstadtbewohners und zeigt wie dieser keinerlei Ambitionen, die Welt durch Demokratie, den American Way of Life oder was auch immer zu erlösen. Ihn interessiert zuvorderst seine eigene Nation und keine globale Mission in welcher Form auch immer.
Seine im Wahlkampf immer wieder aufgebrachte Frage, was denn falsch daran wäre, ein gutes Verhältnis zu Russland zu suchen, ist eben nicht – wie es die Ideologen in Parteiführungen, Think-Tanks, Medien und eben auch Geheimdiensten interpretieren – Ausdruck einer durch Moskau gesteuerten, subtilen Unterwanderungskampagne, sondern ein ehrlicher Ausdruck angewandten Menschenverstandes. Eines Menschenverstandes, der das Urteilsvermögen von Joe Sixpack aus einer von Dutzenden Reihenhaussiedlungen am Stadtrand von Stephenville, Texas bestimmt, aber nicht mehr unbedingt das des Think-Tank-Analysten aus Washington, D.C.
Für einen Geheimdienstapparat, der über Jahrzehnte hinweg gelernt hatte, Moskau als einen Hort des Bösen zu sehen und hinter jedem Schritt russischer Politiker eine versteckte Maßnahme zur Unterminierung US-amerikanischer Interessen zu wittern, stellt das Ansinnen Trumps, eine sachliche Basis zur Zusammenarbeit mit Russland zu suchen, fast eine narzisstische Kränkung dar. Es wird sich zeigen, inwieweit die Dienste in der Lage sind, sich auf ein neues, gegenüber Russland weniger distanziertes Arbeitsparadigma einzustellen.
Trump fehlt es als politischem Neuling natürlich auch an Vertrauten innerhalb des Apparats. Eine bedeutsame Funktion in seiner Administration wird jedoch voraussichtlich der ehemalige Leiter der Defense Intelligence Agency und Generalleutnant Michael Flynn einnehmen, der als Vertreter einer Entspannungspolitik gegenüber der Russischen Föderation gilt. Seine Beliebtheit innerhalb der Dienste ist enden wollend, andererseits ist er mit Abläufen und Strukturen vertraut und dürfte in der Lage sein, die erforderlichen Schritte zu veranlassen, um sicherzustellen, dass die Geheimdienste mit Trump arbeiten und diesen nicht sabotieren.
Neben Flynn gilt auch der frühere Bürgermeister von New York City, Rudolph W. Giuliani, als zukünftiges Schwergewicht der Regierung Trump in Sicherheitsfragen.
Grundsätzlich wird sich vorerst nicht viel an der Arbeit der Dienste ändern. Die alltäglichen Arbeitsdirektiven im Geheimdienst bleiben in Kraft, bis sie aktiv verändert werden. Dies gilt unter anderem auch für die Vorschriften über den Drohneneinsatz oder Kommandoteams. Trump könnte diese natürlich modifizieren, er wird jedoch bestrebt sein, dies in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen und, wo erforderlich, in Abstimmung mit dem Kongress durchzuführen.
Am Ende werden die zwischenmenschliche Chemie und der persönliche Zugang des Präsidenten und seiner Vertrauensleute im Kabinett zu den Entscheidungsträgern in den Diensten darüber entscheiden, ob die Zusammenarbeit zwischen Weißem Haus und Geheimdiensten eine konstruktive sein wird oder eine fast feindselige wie zu Zeiten Richard Nixons. Nicht irgendwelche Ideologien.
Die CIA und die anderen Sicherheitsdienste sind nämlich vor allem eines: staatliche Behörden. Als solche sind sie schwerfällig und nur unter großen Kraftanstrengungen reformierbar, andererseits beständig und eingespielt. Sie sind steuerbar, aber wollen verstanden werden. Für den neuen starken Mann im Weißen Haus wird das eine entscheidende Herausforderung darstellen. Ein Konzernchef gegen eine Bürokratie – dieses Match wird auch einen wesentlichen Teil der ersten Amtszeit Trumps prägen.