Es ist schon länger bekannt, dass einzelne EU-Länder, auch Deutschland, beim künftigen Corona-Impfstoff nicht auf die nationale Beschaffung setzen dürfen: dafür schließen die Leute von Ursula von der Leyen im Namen aller 27 Mitgliedstaaten Vorverträge mit Impfstoff-Herstellern. Ein entsprechender Vertrag wurde Ende August bereits mit dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca unterzeichnet – für wenigstens 300 Millionen Dosen. Weitere bis zu 400 Millionen Impfstoff-Dosen will die EU-Kommission dem Tübinger Unternehmen Curevac abkaufen.
Ist der gesicherte Impfstoff nur für die EU-Länder gedacht? Allerdings geht die Impfstoffstrategie der EU weit über die nationalen Interessen hinaus. Diese Strategie werde es ermöglichen, so von der Leyen Mitte August, „Europäer sowie unsere Partner anderswo in der Welt mit künftigen Impfstoffen zu versorgen“. Auch hier wird im Voraus gehandelt.
Deutschland etwa ließ sich schon Mitte Juni auf eine Impfstoff-Allianz mit Frankreich, Italien und den Niederlanden ein. Nun tritt eine weitere Allianz ins Rampenlicht, nachdem von der Leyen am Montag einen entsprechenden „Haftungsbeitrag“ angekündigt hat: Covax. Genau diese internationale Initiative soll Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Zugang zu dem Impfstoff ermöglichen, sobald dieser verfügbar ist. Die Rede ist quasi von einem „Impfstoff für alle, die ihn brauchen“, überall auf der Welt – ein Ziel, das Brüssel offiziell verfolgt. Wie die versprochenen 400 Millionen Euro genau verwendet werden, soll erst später vereinbart werden. Vorerst handele es sich um eine politische Zusage, so eine Kommissionssprecherin.
„Die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 ist die dringlichste Herausforderung unserer Zeit – und niemand gewinnt das Rennen, bis alle gewinnen“, heißt es auf der Webseite der Initiative. Als „Angebot“ werden Impfstoffdosen für mindestens 20 Prozent Bevölkerung der Länder angestrebt, einschließlich einer schnellen Lieferung nach der Verfügbarkeit. Ins Leben gerufen wurde die Initiative Ende April auf einer Veranstaltung unter Teilnahme des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Bill & Melinda Gates-Stiftung. Mit den Mitgliedern der Covax-Initiative – CEPI und GAVI – beteiligt sich die Stiftung des US-Unternehmers und Philanthropen Bill Gates quasi dreimal an der Initiative: CEPI, die sogenannte Koalition für Innovationen zur Vorbereitung auf Epidemien, wurde 2016 von der Stiftung, Norwegen, Indien, dem Wellcome Trust und dem World Economic Forum gegründet. Die Impfallianz GAVI ihrerseits verdankt ihre Gründung 2000 der Stiftung, Unicef und der WHO.
Dazu gehört die Bill & Melinda Gates-Stiftung zu den wichtigsten Sponsoren der WHO, die zu 80 Prozent von Spenden abhängig ist. Auf das Abhängigkeitsproblem wies früher etwa der indische Arzt und Gesundheitsaktivist Amit Sengupta hin: „Wenn Bill Gates morgen sagt: Ich habe kein Interesse mehr an Gesundheit, ich investiere mein ganzes Geld in Erziehungsfragen zum Beispiel, wäre die WHO am Ende.“ Im Moment beabsichtigt die Covax-Initiative, rund zwei Milliarden Impfstoff-Einheiten bis Ende 2021 von verschiedenen Herstellern einzukaufen. Wieviel Geld bereits in die Initiative fließt, bleibt unbekannt. Insgesamt finanziert aber die EU die Impfstoffe mit 2,7 Milliarden Euro durch ein Soforthilfeinstrument. Bei allen globalen Impfstoff-Initiativen soll sich die Zahl laut von der Leyen auf etwa 16 Milliarden Dollar belaufen.
Zwar versichert die EU-Kommission, die Corona-Impfstoffe erst zu beschaffen, sobald sie sich als „sicher und wirksam“ erwiesen hätten. Doch wird man dem sich bereits ausgeweiteten Markt eine Abfuhr erteilen können? Und warum hat die EU erst mit AstraZeneca eine Vorvereinbarung geschlossen?
Klar durchläuft der Impfstoff, an dem der britische Pharmariese gerade forscht – AZD1222 – bereits die letzte klinische Phase. In einer Medienmitteilung vom 21. Mai hatte das Unternehmen angegeben, die gesamte Produktionskapazität für eine Milliarde Dosen zu sichern und die ersten Lieferungen schon im September zu erwarten. Jedoch sollen die bereits bestehenden Studien zu den ersten zwei Testphasen nicht ausreichend sein, um den Schutz der Probanden durch den Impfstoff nachzuweisen. Mediziner fragen sich schon, was mit den Covid-19-Impfstoffplänen von AstraZeneca passieren würde, wenn in den Phasen-I/II-Studien auch weiter keine statistisch signifikanten Wirksamkeitsnachweise gemeldet würden. Dazu berichtete die „Berliner Zeitung“, dass die Pharmaindustrie keine Haftung für mögliche unerwünschte Folgen der Corona-Impfung übernehmen wolle und die europäischen Steuerzahler hier zur Kasse gebeten würden. Sputnik hat bereits entsprechende Nachfragen an die EU-Kommission und das Paul-Ehrlich-Institut geleitet.