Schon im Januar kursierten Gerüchte, der angeblich zweitreichste Mensch der Welt, Microsoft-Gründer Bill Gates, könnte etwas mit dem Ausbruch des neuen Virus Sars-Cov-2 aus der Familie der Corona-Viren und der dadurch verursachten Krankheit Covid-19 zu tun haben. Dabei wurde darauf verwiesen, dass die Bill & Melinda Gates-Stiftung an dem Pandemie-Planspiel „Event 201“, am 18. Oktober 2019 in New York, beteiligt war. Kurz danach wurde der Ausbruch des neuen Virus in der chinesischen Millionenstadt Wuhan gemeldet, der inzwischen globale Folgen hat.
Schnell bemühten sich eine Reihe von etablierten Medien, in sogenannten Faktenchecks dieses Gerücht um Gates zu widerlegen. Dabei wurde sich auch auf eine Mitteilung des ebenfalls am Planspiel beteiligten Johns Hopkins Center for Health Security der gleichnamigen Universität vom 24. Januar berufen. Darin hieß es: „Für das Szenario haben wir eine fiktive Coronavirus-Pandemie modelliert, aber wir haben ausdrücklich erklärt, dass dies keine Vorhersage ist.“ Immerhin ging die digitale „Sandkastenübung“ von 65 Millionen Toten weltweit aus. Das sei nicht für die tatsächliche Corona-Pandemie vorhergesagt worden, wurde danach betont.
Nun brachte die Zeitung „Handelsblatt“ am 19. März einen Beitrag, der die Überschrift hatte: „Bill Gates: Der Mann, der die Corona-Pandemie voraussagte“. Dabei wird allerdings nicht auf das Planspiel Bezug genommen. Stattdessen wurde auf einen Beitrag hingewiesen, den Gates in der medizinischen Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlicht hatte. In dem Text vom 28. Februar ging der Milliardär konkret auf den Covid-19-Ausbruch ein und fragte, ob es sich um die „Pandemie des Jahrhunderts“ handeln könnte.
Das „Handelsblatt“ erinnerte: „Der Mann, der den Beitrag im NEJM schrieb, ist kein Mediziner oder Virologe, er hat gar keinen Studienabschluss. Und trotzdem hört die Fachwelt Bill Gates zu.“ Das geschehe, weil Gates „mit seiner auf Gesundheitsinitiativen spezialisierten Stiftung einen Ruf als größter Wohltäter unter den Milliardären der Welt erworben“ habe.
Der Microsoft-Gründer verwies auf die Influenza-Epidemie 1918, bekannt als „Spanische Grippe“, mit weltweit Millionen Toten. Er meint, Covid-19 sei eine ähnliche Bedrohung. „Ich hoffe, es ist nicht so schlimm, aber wir sollten davon ausgehen, dass es so sein wird, bis wir etwas Anderes wissen.“ Gates begründet das unter anderem damit, dass der neue Virus ansteckender sei als der ursprüngliche Sars-Virus.
Gates macht sich vor allem angesichts der weltweiten Ausbreitung Sorgen um die Länder mit niedrigen bis mittleren Nationaleinkommen, also vor allem arme Länder. Deren Gesundheitswesen seien „ausgedünnt“, wodurch sich dort das neue Coronavirus schnell verbreiten könne. Das Problem haben aber längst auch Industriestaaten, in Folge der neoliberalen Spar- und Privatisierungspolitik seit Jahrzehnten. Dazu äußert sich Gates aber nicht weiter.
2014 hatten die beiden Gesundheitsökonomen David Stuckler und Sanjay Basu in ihrem Buch „Sparprogramme töten“ gezeigt, welche Folgen diese weltweit für die Betroffenen haben. „Unsere Erkenntnis lautet: Die eigentliche Gefahr für die Gesundheit der Allgemeinheit lauert nicht in Rezessionen an sich, sondern in den Sparprogrammen, mit denen diese häufig ‚bekämpft‘ werden.“ Die Autoren haben das am Beispiel verschiedener Länder exemplarisch gezeigt. Ihr Buch kann zumindest helfen, die unterschiedlichen Ausgangslagen zu verstehen, da nicht alle Länder dem tödlichen Sparkurs folgten.
Zurück zu Gates: Der fordert in seinem Beitrag im britischen Fachmagazin mehr Ausgaben in die medizinische Forschung und die Gesundheitssysteme gerade der schwächeren Länder. Und: „Wir benötigen aber auch größere systemische Veränderungen, damit wir effizienter und effektiver reagieren können, wenn die nächste Epidemie eintritt.“ Der Milliardär fordert insbesondere, mehr Geld in die Forschung neuer, sicherer und wirksamer Impfstoffe zu investieren.
Er betont aber ebenso, Impfstoffe und virenhemmende Stoffe dürften „nicht einfach an den Meistbietenden verkauft werden“. Sie sollten für alle betroffenen Menschen „verfügbar und erschwinglich“ sein. Eine solche Verteilung sie „die richtige Strategie“, um die aktuelle weitere Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen und zukünftige Pandemien zu verhindern.
Sicher wird kaum jemand diesen hehren Zielen von Gates widersprechen. Das Problem ist sicherlich, dass auch in Folge der neoliberalen Sparpolitik inzwischen Superreiche wie er Aufgaben übernehmen, die eigentlich Staaten und Regierungen haben, in internationaler Zusammenarbeit. Wie glaubwürdig solche Aufrufe sind, wird immer wieder hinterfragt.
Das Handelsblatt weist in seinem Beitrag daraufhin, dass Gates viel Geld in vielversprechende Biotech-Firmen investiert hat – zum Beispiel in die deutsche Firma Curevac. „Die Gates-Stiftung investierte vor fünf Jahren 52 Millionen US-Dollar in das Tübinger Unternehmen, um die Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria zu unterstützen.“ Doch inzwischen beteiligt sich die Firma an der Suche nach einem Impfstoff gegen das neue Corona-Virus. Sie gilt als so vielversprechend, dass Meldungen zufolge US-Präsident Donald Trump die Curevac-Ergebnisse exklusiv für die USA kaufen wollte.
Milliardär Gates wird sich sicher nicht ärgern, sollten die Curevac-Forschungen erfolgreich sein und Regierungen bei der Tübinger Firma Impfstoffe gegen das neue Virus kaufen. Es ist sicher alles Zufall, dass er Gesellschafter von Curevac ist und dass seine Stiftung kurz vor dem tatsächlichen Ausbruch von Covid-19 ein Pandemie-Planspiel mitveranstaltete. Ebenso, dass er laut „Handelsblatt“ die Pandemie „voraussagte“. Es wirkt aber eigenartig und lädt geradezu zum Nachfragen ein.