Vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeigte sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas kämpferisch, als er den sogenannten "Jahrhundertdeal" und die alleinige "Vermittlerrolle" der USA ablehnte. "Dieser Plan wird der Region keinen Frieden und keine Stabilität bringen", sagte Abbas. Am Ende bliebe von dem einst vorgesehenen Land lediglich ein "Schweizer Käse" übrig.
Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und einer der Architekten des US-Plans, warf Abbas vor, mit seiner Ablehnung entgegen den Wünschen und Vorstellungen der Palästinenser zu handeln. Kushner sagte, er sei "überrascht gewesen, wie gut der Plan" für die Menschen ist. Doch eine Umfrage im Westjordanland und im Gaza-Streifen, die das PSR-Institut gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung vom 5. bis 8. Februar durchgeführt hatte, ergab ein ganz anderes Bild. 94 Prozent der Befragten lehnen den "Friedensplan" der USA vollständig ab, lediglich vier Prozent sind dafür.
Den von Abbas eingeschlagenen Weg (Ablehnung der US-Initiative, Abbruch der Beziehungen zu den USA und Israel) unterstützen 65 Prozent, während 27 Prozent der Meinung sind, dass dies der falsche Ansatz sei. Allerdings glauben 68 Prozent, dass der "Präsident" nicht so weit gehen wird und sich stattdessen letztlich doch dem Druck Israels und der USA beugen werde. Diese fehlende Glaubwürdigkeit der jetzigen palästinensischen Führung wird unterdessen zu einem immer größeren Problem. Eine klare Mehrheit von 62 Prozent möchte, dass Abbas endlich zurücktritt und den Weg für Wahlen freimacht. Nur 37 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden.
Als Abbas' Nachfolger nannten 36 Prozent Marwan Barghuthi, einen der Anführer der Zweiten Intifada, der seit April 2002 in israelischer Haft sitzt. 24 Prozent sprachen sich für Ismail Haniyya aus, den Vorsitzenden des Politbüros der Hamas und gewählten Ministerpräsidenten der Einheitsregierung von März 2006 bis Juni 2007.
Dass zwei Gesichter des Widerstandes gegen die israelische Besatzungspolitik als Nachfolger von Mahmud Abbas von den Menschen gewünscht werden, ist wenig überraschend. Abu Mazen, wie der Palästinenserpräsident genannt wird, gilt als israelischer Kollaborateur ohne Rückgrat. Er wird allerdings in den Hauptstädten der Staatengemeinschaft weitgehend akzeptiert. Und bis zuletzt hegten die Palästinenser die Hoffnung, dass es am Ende vielleicht doch noch etwas mit einem eigenen Staat der Palästinenser wird.
Nach der Präsentation des Kushner-Trump-Plans ist diese Hoffnung allerdings dahin. Die Zustimmung für die Zwei-Staaten-Lösung ist mit 39 Prozent auf dem niedrigsten Wert, seit diese Frage erstmals gestellt wurde. Auf die Frage, wie man aus der gegenwärtigen Situation herauskommt, befürworten 45 Prozent einen "bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzung". Lediglich 22 Prozent sind noch der Meinung, dass ein Friedensvertrag mit Israel der richtige Weg sei.
Die Verhandlungsverdrossenheit der Betroffenen ist nur allzu verständlich. Bereits seit 1991 wird verhandelt, während gleichzeitig der illegale israelische Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten massiv zugenommen hatte. Eine Mehrheit von 61 Prozent denkt deshalb, dass ein eigener Staat heute gar nicht mehr realisierbar ist. Gegen eine Wiederaufnahme von Gesprächen mit den USA sind 76 Prozent der Befragten.
Nachdem auch Botschafter der drei arabischen Länder Bahrain, Oman und Vereinigte Arabische Emirate bei der Vorstellung des US-"Friedensplans" anwesend waren, sind trotz der späteren einstimmigen Ablehnung durch die Arabische Liga die Palästinenser davon überzeugt, dass sie nicht mehr auf die Unterstützung durch andere arabische Länder hoffen können. 84 Prozent sind davon überzeugt, dass sie auf sich selbst gestellt sind. Und nur 14 Prozent meinen, dass man auf die Unterstützung von arabischen Staaten setzen kann.
Trotz großer Skepsis der Bevölkerung in der betroffenen Region gegenüber Verhandlungen wollte Mahmud Abbas dem UN-Sicherheitsrat einen eigenen Friedensplan vorstellen. Auch das wurde allerdings durch massiven Druck der USA verhindert. Die US-Regierung strich sogar die Gelder für die palästinensischen Sicherheitskräfte aus ihrem Jahresbudget für 2021, was prompt für Kritik in Israel sorgte. Das sei "ein sehr dummer" Schritt gewesen, meinte etwa Anna Ahronheim, Korrespondentin der Jerusalem Post, weil die Sicherheitskräfte eine zentrale Rollte bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung im Westjordanland spielen würden.
Very stupid move on the part of the Trump administration. Palestinian security forces are key to stopping a good amount of terror attacks and violence in the West Bankhttps://t.co/7dadwMNw9I
— Anna Ahronheim (@AAhronheim) February 11, 2020
Dennoch können auch sie nicht die ausgebrochenen Proteste gegen die geplante vollständige Annexion neuer israelischer Siedlungsräume verhindern. Israel reagierte inzwischen mit einem Ausfuhrverbot von palästinensischen Produkten, die noch im Jahr 2018 einen Wert von 7,7 Milliarden US-Dollar – laut Angaben des Wirtschaftsministeriums in Ramallah – ausmachten. Zudem verbot Israel auch den Import von Früchten und Gemüse aus palästinensischen Gebieten nach Israel. Der israelische Markt für Agrarprodukte machte im Jahr 2018 noch einen Anteil von 68 Prozent der palästinensischen Agrarexporte aus. Mit dem Strangulieren der palästinensischen Wirtschaft versucht Israel, den Druck auf Abbas noch massiv zu erhöhen, damit dieser weiterhin an der Fiktion einer Zwei-Staaten-Lösung festhalte und sich die Palästinensische Autonomiebehörde nicht auflöst.