62 Jahre nach dem Bau der von den DDR-Machthabern zum „antifaschistischen Schutzwall“ deklarierten Berliner Mauer herrscht über viele Fakten immer noch Unklarheit. Der Historiker Prof. Dr. Siegfried Prokop bringt Licht ins Dunkel und enthüllt anhand geheimer Dokumente auch den Anteil des Westens an dem Schandwerk. Hier mehr erfahren.
Am Sonntag, den 13. August 1961, also vor nunmehr genau 62 Jahren, riegelten Grenzpolizisten, Volkspolizisten, Mitglieder der sogenannten Kampfgruppen der Arbeiterklasse und Soldaten der Nationalen Volksarmee die Sektorengrenze nach West-Berlin und den Berliner Außenring ab.
Überall wurden Straßen aufgerissen, Panzersperren und Stacheldrahtverhaue errichtet. Und nun war klar: SED-Chef Walter Ulbricht hatte die Öffentlichkeit belogen, als er wenige Wochen zuvor auf einer Pressekonferenz verkündete: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Genau das geschah nun.
Gerade im Hinblick auf die innere deutsche Einheit, die wegen der fortgesetzten Pflege von Mentalitäten aus der Zeit des Kalten Krieges nicht so recht vorankommt, ist das Bemühen um eine Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte, wie sie wirklich verlaufen ist, überaus sinnvoll. Spricht man von „Mauerbau“ und „Maueröffnung“, so begegnen einem in Ost und West unterschiedliche Emotionen und Wertungen. Noch ist der Blick auf die Geschichte bei Weitem nicht von Sachlichkeit, Augenmaß und Differenzierungsvermögen geprägt.
Wachturm an der DDR-Grenze. Foto: Shutterstock.com
Fakt ist: Am Mauerbau hatten beide Seiten ihren Anteil. Das DDR-Regime und die hinter ihr stehende Sowjetunion wollten die Massenflucht in die Bundesrepublik eindämmen – und die Westmächte, allen voran die USA, schauten zu, weil sie fürchteten, dass der Kalte Krieg sonst zu einem heißen ausarten würde. Die Leidtragenden waren die Deutschen, die einmal mehr zum Spielball der Großmächte gerieten. Das ist die bittere Wahrheit.
Viel ist seither über den Mauerbau geschrieben worden, doch Prof. Dr. Siegfried Prokops Verdienst ist es, mit seinem brisanten Enthüllungswerk „Die Berliner Mauer (1961–1989). Fakten, Hintergründe, Probleme“ eine echte Lücke in der Historiografie zu schließen und unangenehme Wahrheiten zur Sprache zu bringen. Der Historiker ist ein profunder Ulbricht-Kenner und konnte Einsicht in Akten nehmen, die anderen verschlossen bleiben. Daher fördert Prokop in seinem Buch neue Erkenntnisse zutage, die jene bedrückende Periode der deutschen Geschichte in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen.
Mit akribischer Genauigkeit und beeindruckender Detailtreue beschreibt Prokop in „Die Berliner Mauer“ die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umstände, die in den Jahren vor dem Mauerbau in der DDR, aber auch in der BRD herrschten. Der Autor rekonstruiert die komplexen Beziehungen zwischen den Großmächten des Kalten Krieges und ihren Auswirkungen auf das geteilte Deutschland. Dabei zeigt er auf beeindruckende Weise, wie die geopolitische Spannung und die Angst vor einem möglichen Konflikt die Entscheidungsprozesse auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs beeinflussten.
Kampfappell der Kampfgruppen der Arbeiterklasse vor der Staats- und Parteiführung der DDR am 13. August 1986. Foto: Bundesarchiv Bild 183-1986-0813-460
Was Prokops profundes Werk von anderen Veröffentlichungen über die Berliner Mauer abhebt, ist die Fähigkeit des Autors, bisher unbekannte Informationen und Dokumente zu präsentieren, die einen neuen Blickwinkel auf das Geschehen eröffnen. Durch umfangreiche Recherchen und den Zugang zu bisher unveröffentlichten Quellen enthüllt Prokop Hintergrundgeschichten von Personen, die direkt am Bau der Mauer beteiligt waren –seien es politische Entscheidungsträger, Grenzbeamte oder einfache Bürger, die plötzlich durch eine Mauer von ihren Angehörigen und Freunden getrennt wurden.
Besonders bemerkenswert ist Prokops Analyse der psychologischen Auswirkungen des Mauerbaus auf die Menschen in Ost und West. Er geht über die trockenen Fakten hinaus und porträtiert die emotionalen Herausforderungen, mit denen die Menschen konfrontiert waren – sei es die Angst vor der Trennung von geliebten Menschen oder die Bewältigung des Alltags im Schatten des von den SED-Machthabern zum „antifaschistischen Schutzwall“ verbrämten Schandwerks. Diese einfühlsame Darstellung verleiht dem Buch eine menschliche Dimension, die den Leser tief berührt und die Tragweite des Mauerbaus in all seinen Facetten verständlich macht.
Eine weitere Besonderheit von „Die Berliner Mauer“ ist Prokops Analyse der politischen Dynamiken innerhalb der DDR und der Sowjetunion. Der Historiker zeigt, wie innerhalb dieser Regime unterschiedliche Meinungen und Interessen aufeinandertrafen und wie diese Faktoren letztendlich zur Entscheidung führten, die Mauer zu errichten. Dieser Blick hinter die politischen Kulissen sorgt für ein tieferes Verständnis für die komplizierten Kräfte, die den Mauerbau beeinflussten.
Prokops Schreibstil ist fesselnd und flüssig, was es dem Leser leicht macht, in die Geschichte einzutauchen. Seine Fähigkeit, komplexe politische Zusammenhänge verständlich zu erklären, ohne dabei an Tiefe zu verlieren, ist bewundernswert. Darüber hinaus nutzt er eine ausgewogene Mischung aus narrativem Erzählen und analytischem Denken, um die Leser sowohl intellektuell als auch emotional einzubeziehen.
Prokops Werk „Die Berliner Mauer (1961–1989). Fakten, Hintergründe, Probleme“ (120 Seiten, broschiert, nur 7,50 Euro) ist zweifellos eine historische Enthüllung, die unser Verständnis jener dunklen Ära der deutschen Geschichte vertieft und den Blick darauf erweitert. Der Historiker und DDR-Fachmann gibt dem Leser damit ein wertvolles Werkzeug in die Hand, um die Vergangenheit besser zu begreifen und aus ihr zu lernen. Hier bestellen.